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Deutschland-Rente im Bundesrat (I):

Hessen will’s weiter wissen

Wer meint, dass derzeit für alle, die in der bAV irgendeine Verantwortung tragen, am Vorabend der Umsetzung der bAV-Reform genug zu tun sei und daher Ruhe an der politischen Front not tue, darf sich enttäuscht sehen. Eine Idee, die zwischenzeitlich fast etwas in Vergessenheit geraten schien, wird von ihren Urhebern weiter befeuert.

 

Kurz nach der Verabschiedung des BRSG und während sich Pensions-Parkett und Tarifparteien den Kopf über die Umsetzung der Reform zerbrechen, gibt die Hessische Landesregierung keine Ruhe. In einem Antrag, der den Titel „Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge“ und das Datum vom 8. März trägt, möchte man die zweite deutsche Kammer Folgendes beschließen lassen (geraffte Auszüge, Hervorhebungen durch LbAV):

 

1. Angesichts der demografischen Entwicklung stößt das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rente als alleinige Lebensstandardsicherung an Grenzen. Auch Anpassungen können dies nicht dauerhaft verhindern.

 

2. Im BRSG wurden erste sinnvolle Maßnahmen für eine Stärkung der bAV beschlossen. Diese reichen jedoch noch nicht aus, um eine flächendeckende Zusatzversorgung zu bewirken. Das gilt besonders für die Beschäftigten der nicht tarifgebundenen, häufig also kleineren und mittleren Betriebe, die einen großen Anteil der Beschäftigten in Deutschland ausmachen. Auch die geförderte private Altersvorsorge konnte in der bisherigen Form die Lücken nicht schließen.

 

3. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, die kapitalgedeckte Altersvorsorge so auszubauen, dass diese flächendeckend einen relevanten Beitrag zum Versorgungsniveau im Alter leisten kann. Er fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der geförderten privaten Altersvorsorge vorzulegen.

 

4. Der Bundesrat ist überzeugt, dass ein Opting-out die Verbreitung erheblich befördern würde. Wer nicht über eine ausreichende bAV verfügt und auch nicht aktiv widerspricht, weil er zum Beispiel auf andere Weise vorgesorgt hat, wird in die private Altersvorsorge einbezogen.

 

5. Auch im System einer automatischen Einbeziehung kann der Sparer das geförderte Anlageprodukt selbst auswählen. Trifft er keine Entscheidung, wählt sein Arbeitgeber ein Produkt für den Sparer aus. Eine Haftung des Arbeitgebers für die getroffene Anlagewahl ist auszuschließen. Das kann dadurch erreicht werden, dass eine neutrale staatliche Stelle Angebote listet, die bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen müssen. Insbesondere soll immer ein kostengünstiger Wechsel des Produkts möglich sein, damit der Sparer die einmal getroffene Entscheidung später ändern kann. Zudem werden durch die Produktliste Vertriebskosten eingespart.

 

6. Aus Sicht des Bundesrates kann auch eine Vereinfachung des Riesterzulagensystems zu einer stärkeren Verbreitung beitragen. Dies kann durch die technische Einbindung der Arbeitgeber in die Beitragszahlung gelingen. Auch die Gewährung der Zulagen kann einfach über den Arbeitgeber erfolgen, indem er sie mit der von ihm an das Finanzamt abzuführenden Lohnsteuer verrechnet und an den Produktanbieter weiterleitet.

 

7. Im Kontext einer automatischen Einbeziehung sieht es der Bundesrat als erforderlich an, den Sparern ein kostengünstiges und transparentes Standardprodukt anzubieten. Erfahrungen anderer Staaten zeigen, dass ein solches Produkt erfolgreich vom Staat organisiert werden kann.

 

8. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, ein staatlich organisiertes Standardprodukt auch in Deutschland zu implementieren. Es soll auf Selbstkostenbasis operieren und rechtlich so ausgestaltet werden, dass die Anlagegelder dauerhaft vor einem Zugriff durch den Staat geschützt sind. Das Produkt soll zu Marktbedingungen mit den privaten Anbietern konkurrieren. Der daraus resultierende Wettbewerb soll, zusammen mit der Möglichkeit eines kostengünstigen Produktwechsels, im Interesse der Sparer die Qualität aller Angebote nachhaltig verbessern.

 

9. Geförderte Altersvorsorgeprodukte müssen gegenwärtig den Erhalt der eingezahlten Beiträge garantieren. Der Bundesrat sieht die Vorgabe einer solchen Nominalwertgarantie kritisch, denn sie verhindert eine hinreichende Beteiligung an den Renditechancen des Produktivvermögens. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, starre und einheitliche Garantievorgaben durch Wahlmöglichkeiten für die Sparer zu ersetzen. Dies umfasst nicht nur die Anspar-, sondern auch die Leistungsphase.

 

10. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass für Bezieher kleiner Einkommen die Beiträge zum Aufbau einer ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge eine finanzielle Belastung darstellen. Gleichzeitig ist gerade bei geringen und schwankenden Einkommen der Handlungsbedarf, aber auch die Wirkung der staatlichen Zulagen am größten. Der Bundesrat sieht in einer einkommensabhängigen Staffelung der zu leistenden Beiträge, in der schrittweisen Einführung der neuen Regelungen für alle Arbeitnehmer sowie in staatlichen Zulagen Möglichkeiten, finanzielle Überforderungen zu verhindern und die Akzeptanz für die ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge zu erhöhen.

 

11. Aus Sicht des Bundesrates erhalten die Vorschläge der Hessischen Landesregierung zur Einführung einer 'Deutschland-Rente' konkrete Lösungsansätze für die hier aufgeworfenen Fragen.“

 

Unter Begründung und Einzelheiten führt der Antrag u.a. aus:

 

Ziel dieses Entschließungsantrags ist vor allem, den Beschäftigten der KMU einen erheblich vereinfachten und kostengünstigen Zugang zur privaten Altersvorsorge zu verschaffen. Dabei wird das System der bAV nicht ersetzt, sondern vielmehr gestärkt. Der vorliegende Entschließungsantrag ist eine konsequente Ergänzung der Reformüberlegungen des BRSG.

 

Auch in Deutschland sollte den Sparern ein Standardprodukt von einem staatlich organisierten Fonds angeboten werden. Dieser Fonds soll auf Selbstkostenbasis operieren. Die Investitionen sollen ökologischen und ethischen Mindeststandards entsprechen. Der Fonds hat weiterhin zum Ziel, ein Konkurrenzprodukt zu anderen Produkten zu schaffen („benchmark“). Angesichts des leichten und kostengünstigen Produktwechsels wirkt der Fonds damit wettbewerbsfördernd. Die Produktangebote werden sich dadurch insgesamt verbessern. Ähnliche staatlich organisierte Fonds arbeiten mit großem Erfolg in anderen Ländern, z.B. in Schweden und im Vereinigten Königreich.

 

Die Einführung eines staatlich organisierten Fonds darf den Wettbewerb zwischen allen Anbietern am Markt nicht verzerren. Der Fonds muss den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen wie die privaten Anbieter. Eine staatliche Einflussnahme auf die Verwaltung und auf die Anlagepolitik ist auszuschließen. Auch aus Kostengründen ist eine passive Anlagestrategie vorzuziehen.

 

Die im Fonds gesammelten Mittel müssen grundrechtlich geschütztes Privateigentum des Sparers und damit dem Zugriff des Staates in jedem Fall entzogen sein. Die öffentliche Hand wird in keiner Weise finanzielle Zuwendungen oder Vorteile aus dem staatlich geregelten Fonds erhalten, darf ihn aber auch in keiner Weise subventionieren.“

 

Der Entschließungsantrag der Hessischen Landesregierung ist am 23. März im Bundesrat vorgestellt und anschließend zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse überwiesen worden.

 

Der gesamte Antrag findet sich hier.

 

Eine Kommentierung folgt in Kürze auf LEITERbAV.

 

 

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