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Reaktionen auf Barniers Kehrtwende:

“Gratulation, Etappenerfolg, mehr Feingefühl…”

Die für die bAV weitreichende Ankündigung des EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier, die erste Säule – quantitative Unterlegungspflichten – aus der Entwicklung eines neuen Eigenkapitalregimes für IORPs auszuklammern, hat für Reaktionen gesorgt – bei Verbänden, Industrie, Politik und Aufsicht.

 

aba-Vorsitzender Heribert Karch ist

aba-Chef Heribert Karch (Foto: Martin Bennett)
aba-Chef Heribert Karch (Foto: Martin Bennett)

über die Barniersche „Notbremse“ erleichtert, spricht aber Warnungen aus: „Spät kam sie, aber sie kam, die Einsicht, dass die Regeln von Solvency II zur Kapitalausstattung von Pensionskassen und Pensionsfonds großen Schaden in der bav-Landschaft angerichtet hätten […] Die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer und die derzeit ebenfalls geplanten praxisfernen EU-Standards für Betriebsrenten beinhalten erhebliche Fehlanreize, auch sie gilt es zu verhindern.“

 

Swyter, FlorianFlorian Swyter, BDA-Pensionsexperte, begrüßt die Entscheidung, fordert, dass aus aufgeschoben aufgehoben werde und verliert Säule 2 und 3 nicht aus den Augen: „Die Anwendung der Solvency-II-Eigenmittelvorgaben auf die bAV hätte – wie die Auswirkungsstudie der EIOPA gezeigt hat – eine dreistellige Milliardenhöhe erreichen können. Dies hätte viele EBAV sowie die dahinter stehenden Arbeitgeber überfordert und einen erheblichen Schaden für die bAV bedeutet. Mehr Sicherheit für die Betriebsrenten wäre mit einem Eigenmittelregime nach Solvency II nicht geschaffen worden. Die Kommission sollte jetzt auch endgültig und unmissverständlich von den Eigenmittelvorgaben nach Solvency II Abstand nehmen […] Zudem muss gewährleistet werden, dass die betrieblichen Versorgungswerke bei der nunmehr vor allem auf Vorgaben zum Risikomanagement und zu Berichtspflichten beschränkten Überarbeitung der Pensionsfondsrichtlinie nicht mit unnötiger Bürokratie belastet werden.“

 

Der GDV, Vertreter der These vom Level-Playing-Field, gibt sich verständnisvoll: „Angesichts der Tatsache, dass die Solvabilitätsregeln in der bAV noch nicht ausreichend getestet sind und es gerade im Bereich der Bewertung langfristiger Garantien noch eine Reihe offener Fragen gibt, ist diese Entscheidung nachvollziehbar. Zu begrüßen ist, dass es auch in der bAV Weiterentwicklungen des Risikomanagements und der Transparenz geben soll.“

 

Für VFPK-Vorstand Helmut Aden gilt: weniger Solvency II – mehr Sicherheit insgesamt „Mit diesem Schritt ist die EU Kommission ihrem im Weißbuch Rente formulierten Ziel, der nachhaltigen Sicherung der staatlichen Sozialkassen, näher gekommen.“

 

Karsten Tacke, Geschäftsführer Gesamtmetall
Karsten Tacke, Geschäftsführer Gesamtmetall

Karsten Tacke, Geschäftsführer Gesamtmetall, teilt den Erfolg mit der Gewerkschaft, erinnert die Kommission an ihre vornehmsten Aufgaben in der bAV und hat wie andere schon die nächste Herausforderung im Blick: „Gesamtmetall und IG Metall haben sich auf nationaler und internationaler Ebene mit einer gemeinsamen Erklärung nachhaltig für die Erhaltung effizienter Versorgungsstrukturen eingesetzt. […] Vorrangiges Ziel der Kommission sollte es sein, das Engagement der Unternehmen in der bAV in ganz Europa zu stärken. Deshalb sollte sie bei den geplanten Gesetzesinitiativen zur Modernisierung der EU-Vorgaben für die bAV größte Vorsicht walten lassen – dies gilt für die Revision der Pensionsfondsrichtlinie ebenso wie für die geplante Richtlinie über Mindeststandards für die bAV, ehemals Portabilitätsrichtlinie.“

 

Auch für Lutz Mühl, Geschäftsführer beim Bundesarbeitgeberverband Chemie, ist in der bAV nach dem

Lutz Mühl, Geschäftsführer Bundesarbeitgeberverband Chemie
Lutz Mühl, Geschäftsführer Bundesarbeitgeberverband Chemie

Spiel vor dem Spiel: „Mit den nun zu erwartenden Neuregelungen können wir aller Voraussicht nach umgehen. […] Der jetzige Etappenerfolg ist zum Nutzen der Betriebsrentner: In Deutschland herrschen bereits hohe Sicherheitsstandards– jeder Cent, der für zusätzliche europäische Vorschriften aufgewendet werden muss, fehlt den Rentnern später bei der Auszahlung ihrer Betriebsrente. Daher war es uns wichtig, renditefressende Kosten zu vermeiden. Ausruhen dürfen und werden wir uns auf diesem schönen Teil-Erfolg nicht.“

 

Matti Leppälä, Generalsekretetär von PensionsEurope, erstaunt mit der Auffassung, dass es mehr Zeit bedarf. Man kann fast glauben, er wolle geradezu betonten, dass das Projekt eines risikobasierten Eigenkapitalregimes für EbAV nur aufgeschoben sei: „Commissioner Barnier has made the right decision as it is vital to take more time for a thorough analysis of the effects of possible changes in solvency rules, which differ greatly between Member States.”

 

Achim Lüder, Geschäftsführer Mercer Deutschland
Achim Lüder, Geschäftsführer Mercer Deutschland

Achim Lüder, Geschäftsführer Mercer Deutschland, will den den EbAV im wesentlichen unnütz aufgebürdeten Aufwand nicht vergessen wissen, sieht bereits Schaden entstanden und mahnt die Verantwortlichen zu klügerem Handeln in der Zukunft: „Zum Glück hat die EU-Kommission schließlich doch eingelenkt. Bleibt der schale Nachgeschmack, dass hierzu bereits in großem Stil Aufwand auf Seiten der Versorgungsträger erzeugt wurde, der der bAV mehr geschadet als genutzt hat. Für die Zukunft wünschen wir uns etwas mehr Feingefühl – das könnte die Kommission direkt beim Thema Portabilität beweisen.“

 

Hans D. Ohlrogge, Head of IBM Germany Retirement Funds, zeigt sich erfreut über die Wirksamkeit konzertierter Aktionen: „Diese Ankündigung zeigt auch, dass die gemeinsamen Initiativen von Industrie, Gewerkschaften, Verbänden, Regierungen und des EU-Parlaments in Europa erfolgreich sein können.”

 

Bosch Pensions-Chef Bernhard Wiesner spricht Glückwünsche aus und sieht Perspektiven: „Gratulation an Kommissar Barnier, der mit seiner Entscheidung auch den besonderen Charakter und die wachsende Bedeutung von EbAV als Sozialeinrichtungen in Europa unterstrichen hat. Die unselige Idee eines ‘Level Playing Fields’ zwischen bAV und Versicherungen ist bereits vom Ansatz her verfehlt. Die neue Richtlinie kann jetzt so gefasst werden, dass sie bestehende Blockaden aus Unsicherheiten um den Gesetzgebungsprozess auflöst und Unternehmen und Sozialpartner in der EU ermutigt, ihre Einrichtungen aus- und neue aufzubauen.“

 

Thomas Mann, MdEP und Verfasser des vom EP angenommen ECON-Entwurfes zur PF-RL verweist naturgemäß auf die Rolle des EP: „Kommissar Barnier beugt sich dem breiten Widerstand der Parlamentarier und zieht die Konsequenz, indem er in seinem neuen Entwurf für die Betriebsrenten-Richtlinie die bAV außen vor lässt.“

 

Martin Kastler, sozialpolitischer Sprecher der CSU im EP, sieht das ähnlich: Ein optimales Ergebnis der monatelangen Bemühungen und Verhandlungen im Europäischen Parlament und ein Riesenerfolg für alle, die sich dafür engagiert haben.”

 

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bleibt technisch: „Derzeit können alle

Felix Hufeld, Exekutivdirektor Bafin
Felix Hufeld, Exekutivdirektor Bafin

deutschen Einrichtungen die Vorschriften zur Bildung und Bedeckung der technischen Rückstellungen erfüllen. Die Solvabilitätsvorschriften werden nur in wenigen Ausnahmefällen von einzelnen Pensionskassen nicht erfüllt; mit diesen Unternehmen ist die BaFin im Hinblick auf die Erstellung und Umsetzung notwendiger Solvabilitätspläne in engem Kontakt. Ungeachtet der derzeitigen Lage stellt die Möglichkeit einer anhaltenden Niedrigzinsphase insbesondere für Pensionskassen ein Risiko dar. Diesem Risiko begegnen die Unternehmen mit entsprechenden Maßnahmen wie einer Absenkung der Überschussbeteiligung und der Verstärkung der technischen Rückstellungen.“

 

Last but not least – die European Insurance and Occupational Pensions Authority wird die QIS-Ergebnisse trotzdem veröffentlichen: „EIOPA continues its work in relation to its Advice to the European Commission on the review of the IORP Directive and plans to present in some weeks its Final Report and conclusions related to the outcome of the quantitative impact study on IORPs. EIOPA stands ready to support the European Commission with further technical advice necessary for the EC’s work.“

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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