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Interview mit Ralf Kapschack:

„Ginge es nach mir, gäbe es das Obligatorium schon“

Geringverdiener, Tarifexklusivität, Garantieverbot: In diesen Wochen entscheidet sich, ob und welche Änderungen das BRSG im Deutschen Bundestag erfahren wird. Mit dem Berichterstatter bAV in der SPD-Fraktion sprach für LEITERbAV Nikolaus Bora.

 

 

Herr Kapschack, BMAS und BMF wollen den eingebrachten Entwurf zum BRSG möglichst unverändert durch das parlamentarische Verfahren bringen. Wird das gelingen?

 

In der Regel werden Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren verändert. Wir haben einige Korrekturwünsche. Die Grenze von 2000 Euro für Geringverdiener halten wir für zu niedrig. Wenn man auf 2500 Euro geht, erreicht man zusätzlich vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Um eine stärkere Verbreitung hinzubekommen, und das ist doch das Ziel des Gesetzes, sollte die Grenze angehoben werden. Es ist auch nicht Sinn der bAV, dass Arbeitgeber an ihr verdienen. Das ist aber der Fall bei der Entgeltumwandlung. Wir wollen die Arbeitgeber verpflichten, dass alle bei der Entgeltumwandlung eingesparten Beträge an die Beschäftigten weitergegeben werden.

 

 

Durch das Gesetz sollen besonders die KMU erreicht werden, von denen viele keiner Tarifgemeinschaft angehören. Vorgesehen ist jedoch ein Tarifvorbehalt. Da sehe ich einen Widerspruch.

 

Das BRSG ist ein Angebot an Geringverdiener und kleinere Unternehmen, etwas für die eigene Altersversorgung beziehungsweise die ihrer Beschäftigten zu tun. Das Vorgehen ist darum die reine Beitragszusage ohne Garantien der Arbeitgeber. Wir halten es aber nur für verantwortbar, wenn dieses Modell im Rahmen der Tarifpartnerschaft geregelt wird. Die Frage ist natürlich, ob auf diesem Weg eine stärkere Verbreitung der bAV gerade in den KMU erreicht werden wird.

 

Ralf Kapschack, MdB SPD.

 

Deshalb sagen wir, wenn in fünf Jahren festgestellt wird, es hat keine nennenswerte Ausweitung der bAV gegeben, dann muss man ernsthaft darüber nachdenken, Arbeitgeber dazu verpflichten, mindestens ein Angebot zu machen. Wenn es nach mir ginge, gäbe es dieses Obligatorium heute schon.

 

 

Einige Kritiker des Gesetzentwurfs befürchten, dass auch die Unternehmen, die – zum Teil seit Jahrzehnten – eine vom Arbeitgeber ganz oder teilweise finanzierte bAV haben, künftig auf die reine Beitragszusage ausweichen.

 

Da bin ich nicht so skeptisch. Das Sozialpartner-Modell kann nur durch einen Tarifvertrag umgesetzt werden, dem die Gewerkschaften zustimmen müssen. Die werden sich zweimal überlegen, ob sie von bewährten Modellen abweichen oder ganz Abstand nehmen und auf ein neues Modell setzen, das mit zusätzlichem Risiko und hoffentlich auch mit zusätzlichen Chancen verbunden ist.

 

 

Muss nicht generell mehr getan werden, damit auch Geringverdiener eine zusätzliche Altersversorgung aufbauen können?

 

Aus der Stellungnahme des DGB für die Anhörung zum Gesetzentwurf geht hervor, dass nur rund 30 Prozent der Beschäftigten, die weniger als 2500 Euro verdienen, Anspruch auf eine Betriebsrente haben. Deshalb ist für Geringverdiener ein Förderbetrag vorgesehen, unter der Voraussetzung, dass sich der Arbeitgeber daran beteiligt. Und – ein ganz wichtiger Schritt – es wird künftig einen Freibetrag von 100 Euro in der Grundsicherung geben, der auf gut das Doppelte ansteigt. Zusätzlich zur Grundsicherung machen 100 oder 200 Euro mehr schon etwas aus.

 

 

Das BRSG wird also voraussichtlich mit geringen Änderungen verabschiedet. Im Herbst sind Bundestagswahlen. Unterstellt einmal, die SPD geht daraus als Sieger hervor. Wird das Gesetz dann umgehend geändert?

 

Ich würde mich natürlich freuen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse ändern. Aber ich habe bereits auf die Beobachtungsfrist von fünf Jahren hingewiesen. Daran werden wir uns halten, vorausgesetzt, dass nichts Unerwartetes geschieht. Das Thema Rente wird uns in der nächsten Legislaturperiode jedoch sicher beschäftigen – und im Zusammenhang damit sicher auch die betriebliche Altersversorgung.

 

 

 

Über Ralf Kapschack: Der gegenwärtige Berichterstatter für bAV in der SPD-Bundestagsfraktion ist seit 2013 Mitglied des Bundestages, nachdem er den Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II seinerzeit direkt gewonnen hat. Kapschack ist Jahrgang 1954, geboren in Witten im Ruhrgebiet; dort Abitur, von 1975 bis 1980 Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit dem Wahlfach Sozialpsychologie, Diplomarbeit „Armut in der Bundesrepublik Deutschland“. Eintritt bei den Jusos 1972, als Reaktion auf den NATO-Doppelbeschlusses 1981 Austritt aus der SPD; Wiedereintritt nach der Bundestagswahl 1987. Ab 1983 ist Kapschack freier Journalist beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), später Fernsehredakteur und Moderator im WDR-Landesstudio Dortmund, ab 1995 Leiter der Redaktion Landespolitik des WDR-Fernsehens. 2010 wird er Pressesprecher der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Kapschack ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne.

 

 

Die Presseschau entfällt.

 

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