Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Das Grünbuch „Schaffung einer Kapitalmarktunion“:

Fluch oder Segen für die bAV?

Will man es bewerten, muss man das neue Grünbuch in vielfältige und übergreifende Zusammenhänge einordnen. Fluch oder Segen für die bAV? Roberto Cruccolini analysiert die schwere Kost ausführlich und kritisch – grundsätzlich als auch aus Sicht der EbAV.

Anmerkung der Redaktion: Eine etwas ausführlichere Version des Beitrags erschien am 30. April 2015 in der aktuellen Ausgabe der aba-Zeitschrift BetrAVG 03/2015.

 

Roberto Cruccolini, AKA
Roberto Cruccolini, AKA

Am 18. Februar 2015 hat die Europäische Kommission das Grünbuch „Schaffung einer Kapitalmarktunion“ veröffentlicht. Die Zielsetzung des Grünbuchs liegt – wie der Name nahe legt – darin, einen integrierten EU-Kapitalmarkt zu schaffen, um grenzüberschreitende Investitionen innerhalb der EU und die Finanzierung von Unternehmen und Infrastrukturinvestitionen zu verbessern sowie EU-ausländisches Investitionskapital anzuziehen (weitere Unterlagen finden sich hier).

 

Viele Inhalte kennt man bereits aus dem Grünbuch „Langfristige Finanzierung der Europäischen Wirtschaft“ und der anschließenden „Mitteilung zur langfristige Finanzierung der Europäischen Wirtschaft“ aus dem Jahr 2013 sowie aus dem sogenannten Juncker-Plan „Eine Investitionsoffensive für Europa“ von November 2014.

 

Das aktuelle Grünbuch enthält insgesamt 32 Fragen zu den präsentierten Themen, die die interessierte Öffentlichkeit bis zum 18. Mai 2015 der Kommission beantworten soll (gemeinsam mit dem Grünbuch wurden ein Entwurf zur Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie und ein Diskussionspapier zu hochwertigen Verbriefungen veröffentlicht, die ebenfalls bis zum 18. Mai 2015 konsultiert werden. Im Folgenden eine kursorische Zusammenfassung der Inhalte des Grünbuchs sowie einige Überlegungen zu den Auswirkungen für EbAV.

 

I. Zusammenfassung des Grünbuchs „Kapitalmarktunion“ und etwas Makroökonomik

 

Die Kommission macht im Grünbuch und den dazu gehörigen Pressemitteilungen eines sehr deutlich: Die Finanzierung von Unternehmen in der EU soll künftig weniger über Banken, sondern weitaus mehr über Kapitalmärkte erfolgen (das heißt Aktien, privates Beteiligungskapital, Privatplatzierungen, Anleihenmärkte, Verbriefungen et cetera). Im Vergleich insbesondere mit den USA sind diese Märkte jedoch innerhalb der EU noch unterentwickelt, fragmentiert und weiterhin in nationalen Grenzen organisiert. Wie sich bereits im 2013er Grünbuch abzeichnete, sind wichtige Einzelthemen die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, Unternehmen allgemein und vor allem KMU respektive Start-Ups/Risikokapital. Daher soll eine Kapitalmarktunion geschaffen werden, die Finanzierungsbedingungen erleichtert, Investitionskosten senkt und unbürokratischen grenzüberschreitenden Zugang zu Investitionsprodukten schafft. Teilaspekte dieser Kapitalmarktunion sind aus Sicht der Kommission durch verschiedene Gesetzgebungspakte (MiFID II, MAR/MAD, AIFMD, EMIR, CSDR) bereits umgesetzt, weitere Schritte hin zu einem „Single Rule Book“ für einen EU-Kapitalmarkt sollen peu a peu dazu kommen. Somit sollen Ersparnisse der Haushalte mehr in die Kapitalmärkte (in Beteiligungskapital und Anleihen anstatt auf Bankkonten) gelenkt und EU-ausländisches Kapital angelockt werden.

 

Der Aufbau des Grünbuchs ist wie folgt:

 

1. Abschnitt: Schaffung einer Kapitalmarktunion

2. Abschnitt: Derzeitige Herausforderungen an den europäischen Kapitalmärkten

3. Abschnitt: Prioritäten für frühzeitige Maßnahmen

4. Entwicklung und Integration der Kapitalmärkte.

 

Alles in allem stellt sich die Frage, wozu eigentlich das 2013er Grünbuch gut war, wenn nun ein inhaltlich in doch vielen Aspekten sehr ähnliches Papier erneut konsultiert wird. Natürlich ist die Zielsetzung, eine richtige Kapitalmarktunion zu schaffen, konkreter als die Zielsetzung und die Vielfalt der Themen, die im 2013er Grünbuch unter dem Titel „Langfristige Finanzierung“ zusammengefasst wurden. Allerdings sind die Schwerpunkte doch sehr ähnlich (mehr hierzu siehe Abschnitte III bis V). Dass angesichts dieser Ähnlichkeiten das 2013er Grünbuch nicht erwähnt wird (eher indirekt angedeutet auf Seite 2, die Mitteilung dazu wird jedoch kurz genannt), erstaunt ein wenig. Vielleicht lässt es sich damit erklären, dass nun mit Jonathan Hill ein neuer Kommissar in der Verantwortung ist, der möglicherweise auch andere Akzente setzen will?

 

Einen durchaus literarischen und motivierenden Akzent (einschließlich einer gewissen pathetischen Note) weist auf jeden Fall die folgende Passage aus der Einleitung des Grünbuches auf, die auch für eine große Rede oder Ansprache geeignet wäre:

 

Die Richtung, in die wir uns bewegen müssen, ist klar: Es gilt, die Kapitalmarktunion von Grund auf aufzubauen, Hindernisse zu erkennen und nacheinander zu beseitigen, eine Dynamik zu erzeugen und die Grundlage für wachsendes Vertrauen in Investitionen in Europas Zukunft zu schaffen. Der freie Kapitalverkehr war eines der Grundprinzipien, auf denen die EU aufgebaut wurde. Lassen Sie uns nun, mehr als fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die Gelegenheit ergreifen und dafür sorgen, dass diese Vision Wirklichkeit wird.”

 

Exkurs: Makroökonomische Bewertung

 

Angesichts der hohen Erwartungen an die Kapitalmarktunion seien an dieser Stelle einige grundlegende makroökonomische Aspekt zumindest angerissen, die die Überlegungen der EU-Kommission etwas in Perspektive setzen, womöglich auch etwas dämpfen könnten. Zentrale Diagnose und zugleich unausgesprochene Prämisse der Vorschläge des Grünbuchs „Kapitalmarktunion“ ist, dass die Wachstumsschwäche der EU wie auch die unzureichende Finanzierung von (jungen, innovativen) KMU und Infrastrukturprojekten Probleme des Kapitalangebots und der Kapitalvermittlung sind (dies wird im ersten Absatz auf Seite 2 angedeutet). Auch wenn es fraglich ist, ob in der EU tatsächlich ein Mangel an anlagesuchendem Kapital herrscht (insbesondere für Infrastrukturmaßnahmen, aber auch für Unternehmensfinanzierungen), so soll hier gemäß Juncker-Plan der „European Fund for Strategic Investments“ (kurz EFSI) mit der anvisierten Investitionsoffensive im Bereich Infrastruktur, erneuerbare Energien, Forschung und Bildung kurzfristig weiterhelfen: Der EFSI soll mit (teilweise lediglich umgewidmeten) EU-Mitteln in Höhe von 21 Milliarden Euro weitere 294 Milliarden Euro an privaten Mitteln und somit insgesamt bis zu 315 Milliarden Euro für Investitionen mobilisieren.

 

Hier mag man sich grundsätzlich fragen, warum insbesondere Investitionen in Infrastruktur über Finanzierungskonstrukte wie den EFSI (oder auch über öffentlich-private Partnerschaften et cetera) überwiegend privat finanziert werden sollen: Wenn diese Investitionen erforderlich und ökonomisch sinnvoll sind, sollten sie nicht trotz Schuldenbremse und Fiskalpakt direkt vom Staat getätigt werden, wenn die staatlichen Refinanzierungskosten so viel günstiger sind und auch keine private Gewinnerzielungsabsicht hinzukommt beziehungsweise keine höhere Eigenkapitalverzinsung erforderlich ist? Auch Ausfallgarantien oder Nutzungsentgelte führen zu Belastungen in den öffentlichen Haushalten, die ökonomisch ähnlich wie der Schuldendienst von Kreditfinanzierungen zu werten sind (siehe Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt 2013, Seite 66Bundesrechnungshof 2009, Seite 32 und 43).

 

Hinzu kommen rechtliche Risiken in Form von Fehlern bei der Vertragsgestaltung. Selbst unter der Annahme einer womöglich höheren Effizienz bei privater Organisation beziehungsweise Durchführung der Projekte muss dieser staatliche Refinanzierungsvorteil erst wieder herein geholt werden. Zudem ist zu auch fraglich, ob der EFSI wirklich zu zusätzlichen privaten Investitionen führen wird: Sind die Investitionsprojekte zu riskant, dann wird privates Kapital nur aufgrund der Garantien zu bekommen sein, die auch tatsächlich gezogen werden könnten. Oder die Risiken sind gering, dann stellt sich die Frage, ob es solche Projekte nicht auch ohne Garantien gäbe.

 

Und das zweite Problem – unzureichende Kapitalvermittlung aufgrund eines fehlenden EU-weiten Kapitalmarktes – wird nun aus Sicht der Kommission mittels des vorliegenden Grünbuchs angegangen (Seite 4ff). An dieser Stelle sei zumindest die Frage aufgeworfen, ob nicht auch große Fragezeichen auf der Nachfrageseite bestehen: Der Juncker-Plan wie auch das Grünbuch „Kapitalmarktunion“ scheinen davon auszugehen, dass es insbesondere im KMU-Bereich zahlreiche lohnende private Investitionsprojekte gebe, die an Finanzierungsengpässen scheitern und die mit zusätzlichen Mitteln (Juncker-Plan) oder mit besserer Finanzierungsvermittlung (Grünbuch) umgesetzt werden könnten. Vielleicht liegt der Grund mangelnder Investitionen in Europa jedoch nicht in einem Mangel an investitionswilligen Kapital und/oder den Finanzierungsbedingungen. Vielleicht liegen die Ursachen auch insbesondere in den geringen Absatzerwartungen der Unternehmen und Investoren aufgrund der geringen Wachstumsaussichten, der schwachen Nachfrageentwicklung, der Konsolidierungsbemühungen des Privat- und insbesondere des Staatssektors in Europa und nicht zuletzt in der offenen Frage, wie die EU und vor allem der Euroraum mittelfristig auf die Eurokrise reagieren werden. Jüngst hat sich auch der Internationale Währungsfonds in seinem „World Economic Outlook“ vom April 2015 (Kap. 4, S. 17 und hier) zu dieser Frage geäußert: Demnach sind weltweit gesehen die schwache ökonomische Entwicklung und folglich die geringen Absatzerwartungen maßgeblich für die geringe private Investitionstätigkeit; in einigen Euroländern kommen allerdings auch Finanzierungsprobleme und Verunsicherung über die politische Entwicklung hinzu. Kurz gesagt, wenn aus den genannten Gründen (zu) große Unsicherheit besteht, ob sich Investitionen in der EU überhaupt lohnen, dann ist fraglich, ob allein die vorgeschlagenen Maßnahmen im Grünbuch weiter helfen.

 

Zu guter Letzt noch eine Anmerkung zur Diagnose des Grünbuchs, dass die Finanzierung von Unternehmen innerhalb der EU künftig mehr über die Kapitalmärkte erfolgen sollte, um insbesondere auch ideenreichen Start-Ups mehr privates Risikokapital zugänglich zu machen, die wiederum Innovationen und Wachstum zu schaffen – ganz nach dem Vorbild der USA. Der Aspekt, dass in den USA junge Unternehmen und somit auch innovative, aber unausgereifte Ideen leichteren Zugang zu Kapital haben, ist auch dort nur eine Seite der Medaille: Die EU sollte sich auch daran orientieren, dass die USA weltweit mit am meisten staatliche Forschungsgelder direkt oder indirekt für langfristige Grundlagenforschung zur Verfügung stellen und starke Behörden und Forschungseinrichtungen haben, die die technologische Basis für viele darauf aufbauende Produkte und Dienstleistungen privater Firmen selber liefern beziehungsweise zielgerichtet finanzieren (siehe Mazzucato 2013 „The Entrepreneurial State“).

 

Die Geschichte des technologischen Wandels zeigt, dass Investitionen in Grundlagenforschung, die langen Atem braucht und bei der nicht sichergestellt ist, dass letztlich verwertbare Produkte heraus kommen, kaum von jungen, innovativen und von Wagniskapitalgebern finanzierten Firmen geleistet werden kann. In vielen Bereichen war und ist es staatlich finanzierte Forschung, worauf private Firmen aufbauen (konnten): Nicht Apple hat die zugrundeliegenden Technologien für Mikroprozessoren, GPS, Mobilfunktechnik, Internet, Lithium-Ionen-Akkus, den Touch-Display oder die Sprachsteuerungssoftware „SIRI“ entwickelt, sondern US-Behörden (wie beispielsweise die „Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) oder das US-Energieministerium). Und es war das Geld der „National Science Foundation“, mit dem Google die Entwicklung des legendären Algorithmus für seine Suchmaschine finanzierte. Aber es waren sehr wohl Apple und Google, die hieraus bahnbrechende Produkte und Dienstleistungen erschaffen und vermarktet haben, die wiederum viele weitere Produkte und Märkte und somit Jobs, Einkommen und Wachstum geschaffen haben. Vergleichbar ist dies auch bei den „National Institutes of Health“ in den USA, die medizinische Grundlagenforschung jährlich in der Höhe von etwa 30 Milliarden USD fördern und deren Ergebnisse von der Pharmaindustrie verwertet werden können. Auch die Grundlagenforschung im Bereich Bio- und Nanotechnologie sind hier zu nennen. Und viele weitere innovative junge US-Firmen wurden und werden durch das US-Programm „Small Business Innovation Research“ finanziert. In diesem Sinne sollen die eben gemachten Hinweise auf die Bedeutung staatlicher Forschung und Finanzierung keineswegs die Wichtigkeit und Leistung privater Firmen schmälern, sondern in den richtigen Kontext setzen: Gerade eine „symbiotische“ Beziehung zwischen gezielter staatlicher Forschung und Förderung und kreativen Unternehmen, die hieraus innovative Produkte schaffen und vermarkten scheint erfolgversprechend zu sein. Aber hierfür braucht es einen starken und unternehmerisch denkenden Staat, der Visionen hat und selbstbewusst (neue) technologische Themen setzt und diese gezielt und langfristig fördert, wie beispielsweise derzeit die grünen Technologien und die Energiewende. Diese Perspektive scheint im Juncker-Plan zumindest etwas durchzuschimmern, im Grünbuch „Kapitalmarktunion“ fehlt sie jedoch.

 

II. Themen mit direktem Bezug zu EbAV beziehungsweise der kapitalgedeckten Altersvorsorge

 

Im Grünbuch „Langfristige Finanzierung“ von 2013 wurde die Rolle von insbesondere auch EbAV als langfristige Investoren noch ausgiebig diskutiert. Auch im aktuellen Grünbuch sieht die EU-Kommission die zunehmende private und betriebliche Altersvorsorge zwar grundlegend positiv, da somit mehr Anlagekapital zur Verfügung steht (Seite 9) und diese Altersvorsorgesysteme auch eine wachsende Rolle als Investoren in der europäischen Wirtschaft einnehmen. Darüber hinaus findet die kapitalgedeckte Altersvorsorge jedoch im Grünbuch „Kapitalmarktunion“ kaum noch Erwähnung, unabhängig ob betrieblicher oder privater Art, da die Zielsetzung des Papiers auf der Vereinheitlichung von Märkten und Produkten liegt. Das Grünbuch verweist in diesem Zusammenhang auch auf die bestehenden Überlegungen, ob ein EU-einheitlich ausgestaltetes Sparprodukt nicht mehr private Ersparnis mobilisieren könnte und erbittet Rückmeldung der Stakeholder (Seite 19). EIOPA arbeitet seit geraumer Zeit an diesem sogenannten „29th Regime“, das den Binnenmarkt für persönliche Altersvorsorgeprodukte ankurbeln soll.

 

Angesichts der derzeitigen Überarbeitung der Pensionsfonds-RL attestiert die Kommission, dass die neuen Vorschriften Hindernisse für mehr Investitionen in langfristige Vermögenswerte beseitigen würden (Seite 19, hiermit ist wohl die Überarbeitung von Art. 20 IORP-E gemeint). Hintergrund ist, dass die Kommission Altersvorsorgeeinrichtungen („Pension Schemes“) vorwirft, nicht langfristig orientiert genug anzulegen, obwohl sie aufgrund der Langfristigkeit ihrer Verpflichtungsseite dies sehr wohl könnten:

 

Pension schemes also tend to emphasise relatively high liquidity […]. It does not allow long-term assets to be held to maturity, to build and maintain strategic equity stakes or investment in less-liquid asset classes. […] As a result of the above, funds tend to hold a disproportionate amount of liquid assets, including cash.”

 

(siehe Kap. „6.2. Short-termism and regulatory features drive inefficient asset allocation” ab Seite 33 des das Grünbuch flankierenden „Commission Staff Working Document“).

 

Dieses Thema will die Kommission unter anderem mit der Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie angehen, die derzeit im Rat und dem Europäischen Parlament diskutiert wird und künftig zur Stärkung des langfristigen Aktionärsengagements beitragen soll. Das Grünbuch erwähnt den Vorschlag nur kurz und geht nicht weiter inhaltlich darauf ein (Seite 27), der Zusammenhang mit EbAV wird nicht explizit benannt. EbAV sollen demnach als institutionelle Investoren verpflichtet werden, ihre Aktionärsrechte wahrzunehmen und eine Reihe weiterer Informationen in einer „Engagement Policy“ zu veröffentlichen sowie Details ihrer Anlagestrategie (insbesondere inwiefern diese auf die langfristigen Verbindlichkeiten abgestimmt ist) zu veröffentlichen. Die konkreten Anforderungen hierzu stehen jedoch noch nicht fest, beispielsweise, ob es bei dem „comply-or-explain“-Verfahren hinsichtlich der Engagement Policy bleibt oder ob Mindestschwellenwerte für die Stimmrechtsausübung eingeführt werden.

 

Sehr fragwürdig im Zusammenhang mit regulatorischen Anreizen für langfristige Investitionen ist jedoch die eindeutige Einschätzung der Kommission, dass Versicherungsunternehmen unter Solvency II mehr als bisher in langfristige Vermögenswerte investieren würden, da nationale Kapitalanlagebeschränkungen (wie die Anlageverordnung und das Kapitalanlage-Rundschreiben 04/2011 der BaFin) für diese Unternehmen ab 2016 nicht mehr einschlägig sein werden.

 

Auch wenn im bereits erwähnten „Commission Staff Working Document“ (Seite 33, Fußnote 66) argumentiert wird, dass die jüngst erlassenen Level II-Maßnahmen zu Solvency II diese Problematik lösen würden (siehe Pressemitteilung der Kommission vom 10. Oktober 2014, unter Nr. 3) und EIOPA noch einen Versuch unternimmt, für Infrastruktur-Investitionen geringere EK-Chargen zu rechtfertigen, (Ende 2013 hatte EIOPA dies aufgrund ungenügender Datenlage nicht empfohlen, siehe hier S. 10), so ist diese Position in ihrer Eindeutigkeit schlicht nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Standardformel eine Angleichung der Duration von Vermögen und Verpflichtungsseite tendenziell durch niedrigere EK-Anforderungen belohnt, so lässt sich jedoch gut begründet argumentieren, dass die Standardformel unter Solvency II aufgrund der 1-Jahres Perspektive in Kombination mit „mark-to-market“-Bewertung (insbesondere bei der Diskontierung der Passivseite durch „risikofreie“ und kurzfristig schwankenden Zinssätze) und über die Gesamtwirkung der Eigenkapitalunterlegungen je Assetklasse („relative capital-adjusted returns“) zu doch recht klaren Anreizen führt, weniger Risiko- beziehungsweise Eigenkapitalinvestments und Realwerte zu nehmen sowie tendenziell mehr in (langlaufende) Staats- als Unternehmensanleihen zu investieren (siehe OECD 2008, Seite 18, Kaserer TU München 2011, Seite 25f., JP Morgan AM 2011 Seite 3f., OECD 2012, S. 32, Amundi 2014, S. 6). Hinzu kommen möglicherweise geringere Diversifikation (vor allem in den Rendite-orientierten Portfolien, OECD & Risklab 2013, Seite 13ff.) sowie prozyklisches Agieren (OECD 2012, Seite 23).

 

Ob die nachträglichen Adjustierungen ausreichen, um diese massive Effekte umzukehren, ist zu bezweifeln. Dieser Punkt muss betont werden, um hieraus nicht ein vermeintliches Argument für die Übernahme von Solvency II auf EbAV in Form des HBS werden zu lassen.

 

Erwähnt werden auch (wie bereits mit unterschiedlicher Stoßrichtung im Grün- und Weißbuch Pensionen und Renten von 2010 respektive 2012 sowie im Grünbuch „Langfristige Finanzierung“) unterschiedliche Steuerregelungen der Mitgliedstaaten, die der Entwicklung eines Kapitalbinnenmarktes im Wege stehen könnten (Seite 28; beispielsweise als Hindernisse für grenzüberschreitende Anlagen in Renten- und Lebensversicherungen, oder konkreter die Möglichkeit diskriminierender Steuervorschriften für grenzüberschreitende Immobilienanlagen von Lebensversicherungsgesellschaften und Pensionsfonds). Weitere Vereinfachungen der Verfahren für Quellensteuererleichterungen im Nachhandel werden zwar erwähnt, konkret findet sich hierzu jedoch nichts weiter.

 

III. Kurzfristige Maßnahmen

 

Die folgenden, im Grünbuch genannten Vorhaben stehen in der Prioritätenliste der Kommission sehr weit oben, wie auch den Pressemitteilungen zu entnehmen ist. Teilweise liegen auch hierzu bereits konkrete Entwürfe vor.

 

Durch eine Überarbeitung der Prospektrichtlinie sollen die Anforderungen und administrativen Hürden bei der Prospekterstellung für Unternehmen verringert werden, damit insbesondere KMU einfacher Kapital beschaffen und Investoren grenzüberschreitend erreichen können. Wie erwähnt führt die Kommission parallel zum Grünbuch derzeit eine Konsultation hierzu durch.

 

Diskussionspapier zu „hochwertigen Verbriefungen“: Die EU-Kommission will den europäischen Verbriefungsmarkt wiederbeleben, dessen Emissionsvolumen sich seit der Finanzkrise von 594 Milliarden Euro (2007) auf 216 Milliarden (2014) gedrittelt hat. Daher soll ein Markt für hochwertige Verbriefungen geschaffen werden, der sich auf einfache, transparente und standardisierte (und somit vergleichbare) Verbriefungsinstrumente stützt. Durch diese „Qualitätssicherung“ bei Verbriefungen sollen diese Produkte für institutionelle Investoren interessanter (weil vergleichbarer und rechtssicherer) gemacht und die Markttiefe und Liquidität von Sekundärmärkten erhöht werden, was wiederum die Attraktivität für Investoren steigert. Auch hier ist eine der Hauptstoßrichtungen die Mittelstandfinanzierung.

 

In der Banken- (CRD IV / CRR) wie auch der Versicherungsregulierung (Solvency II) und zudem im Rahmen der Geldpolitik der EZB / BoE (Stichwort: Verbriefungen als zentralbankfähig Sicherheiten, loan-level data) sind Maßnahmen bereits umgesetzt oder derzeit in Planung, die die europäischen Verbriefungsmärkte wieder beleben sollen.

 

Um Infrastrukturinvestitionen zu fördern, soll ein europäisches Investitionsprojekteverzeichnis („European Investment Project Pipeline“) geschaffen werden, damit Investoren sich leichter über Anlagemöglichkeiten in der gesamten EU informieren können. Hierzu soll eine zentrale EU-Website mit Links zu Projekten / Projektverzeichnissen der Mitgliedstaaten und Informationen über EU-Vorhaben eingerichtet und gemeinsame Standards für die Präsentation der Informationen vorgegeben werden (siehe hierzu COM(2015)10 final, Art. 9).

 

Kreditinformationen und Rechnungslegung von KMU: Standardisierte und einfach zugängliche Bonitätsinformation („common minimum set of comparable information for credit reporting and assessment“) über KMU sollen die Attraktivität für Investoren erhöhen und somit den KMU Kapital leichter zugänglich machen. Zum Thema „Bonitätsinformationen von KMU“ plant die Kommission Workshops bereits im Jahr 2015.

 

Zudem wirft die Kommission die Idee auf, vereinfachte, einheitliche und qualitativ hochwertigen Rechnungslegungsstandards für an bestimmten Handelsplätzen notierten KMU zu schaffen. Diese Standards sollen offensichtlich eine Art „IFRS light“ darstellen, aber einfacher und damit günstiger von KMU anzuwenden sein. Durch die größere Transparenz und Vergleichbarkeit soll die Attraktivität solcher Unternehmen für international tätige Anleger erhöht werden.

 

Gemeinsam mit der Branche will die Kommission an der Umsetzung einer europaweiten Regelung für Privatplatzierungen arbeiten, um Direktinvestitionen in kleinere Unternehmen zu fördern. Hierzu gibt es bereits erste Marktinitiativen, auf die aufgebaut werden soll.

 

Die Kommission will Anschubhilfen für die Verbreitung der neu geschaffenen ELTIF („European Long Term Investment Funds“) diskutieren, um Investitionen in Infrastruktur- und andere Langzeitprojekte zu lenken. Im europäischen Gesetzgebungsverfahren ist zum ELTIF bereits ein Kompromiss gefunden, die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt wird derzeit erwartet. Bislang sind jedoch keine besonderen Vorteile erkennbar, die den ELTIF im Vergleich zu anderen AIF auszeichnen. Daher ist die Kommission insbesondere daran interessiert, ob auf nationaler Ebene bestehende Regelungen oder Fondsvergünstigungen auch auf den ELTIF übertragen werden könnten, um Anreize für dessen Verbreitung zu schaffen (Seite 12). In Deutschland könnte dies beispielsweise bedeuten, dass die Besteuerungsvergünstigungen für offene „Investmentfonds“ im Sinne des § 1b Investmentsteuergesetzes auch für den ELTIF gelten könnten, obwohl der ELTIF ein geschlossener Fonds ist und dies eigentlich einen Ausschlussgrund darstellt.

 

IV. Mittelfristige Maßnahmen

 

Auch die folgenden Vorhaben, die im Grünbuch formuliert sind, scheint die Kommission sehr positiv zu sehen, allerdings sind zu diesen Themenbereichen die Entwürfe und Aktivitäten noch nicht so weit gediehen – eine Umsetzung scheint daher noch weiter entfernt.

 

Vereinheitlichung und Standardisierung von Pfandbrief- und Unternehmensanleihenmärkten: Die Kommission will einen integrierten EU-Markt für gedeckte Schuldverschreibungen errichten und plant hierzu eine Konsultation, die auf Erfahrungen mit bewährten nationalen Rahmen basieren sollen. Hierbei könnte beispielsweise das deutsche Pfandbriefrecht eine inspirierende Rolle spielen. Wenn sich hierbei auch ein vergleichbares Qualitätsniveau ergibt, wie es das deutsche Pfandbriefgesetz begründet, dann wäre dies aus Sicht von institutionellen Anlegern zu begrüßen. Angedacht wird hierbei auch, ob Anleger – analog zu ähnlichen Angabepflichten bei strukturierten Finanzinstrumenten – mehr Informationen über die Sicherheiten, die gedeckten Schuldverschreibungen und anderen strukturierten Schuldtiteln zugrunde liegen, erhalten sollten. Zudem wird eine stärkere Standardisierung der Emission von Unternehmensschuldverschreibungen vorgeschlagen, die einen liquideren Sekundärmarkt für Unternehmensanleihen schaffen könnte. Ziel ist zudem, KMU den Zugang zu Anleihemärkten einfacher und günstiger zu gestalten.

 

Privates Beteiligungs- und Risikokapital: 2013 wurden die EU-Verordnungen für den Europäischen Risikokapitalfonds und den Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum erlassen, die Risikokapital für Startups und Sozialunternehmen bereitstellen sollen. Die Kommission will nun prüfen, wie das Volumen dieser Fonds gesteigert werden kann und inwiefern Finanzierungen des öffentlichen und privaten Sektors dazu beitragen können.

 

Attraktivität der EU-Märkte für internationales Kapital erhöhen: Da die Kapitalzuflüsse in der EU (das heißt Portfolioinvestitionen, ausländische Direktinvestitionen und Bankkredite) immer noch unter dem Niveau von 2007 liegen, will die Kommission Maßnahmen ergreifen, um ausländisches Kapital anzulocken – darunter die Stärkung des Anlegerschutzniveaus für Investitionen in Europa durch internationale Handels- und Investitionsvereinbarungen, den Ausbau der Kapitalverkehrsfreiheit durch Unterstützung der OECD-Kodizes zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs und auch Themen wie grenzüberschreitende Vermögensverwaltung künftig in Handelsvereinbarungen thematisiert werden könnte.

 

EU-einheitliches Sparprodukt: Für die Altersvorsorge relevant ist unter anderem jener Aspekt, dass im Grünbuch die Frage aufgegriffen wird, ob nicht die Einführung eines EU-weit standardisierten Sparproduktes ersparnisfördernd sein könnte (Seite 19). Zu diesem schon erwähnten „29th regime“, an dem EIOPA seit geraumer Zeit arbeitet und das den Binnenmarkt für persönliche Altersvorsorgeprodukte fördern soll, liegen jedoch noch keine detaillierten Pläne vor.

 

Privatkunden betreffende Aspekte: wie beispielsweise mehr grenzüberschreitende Beteiligung an OGAW und Wettbewerb bei Finanzprodukten; Verbesserung der Bildung bei Finanzfragen; aufsichtsrechtliche Kompetenzen zum Anlegerschutz.

 

V. Weitere Themenbereiche

 

Im Grünbuch werden zudem weitere Themenbereich genannt, die zum einen von eher grundlegenderer Natur sind (Anwendung von EU-Recht, Aufsichtskultur et cetera) oder weitere Rechtsgebiete betreffen (Besteuerung, Gesellschaftsrecht, Corporate Governance et cetera), und damit nicht unbedingt kurzfristig zu behandeln sind. Oder sie betreffen eher die technische Seite der Kapitalmarktunion (Daten, Meldewesen, Marktinfrastruktur, Wertpapierrecht). Oftmals liegen hier auch keine unbedingt neuen Überlegungen oder Vorhaben auf dem Tisch, sondern Bestehendes wird zusammengefasst – daher im Folgenden nur sehr knapp und stichpunktartig im Überblick:

 

Die einheitliche Umsetzung und praktische Anwendung von EU-Recht soll für den Bereich der Finanzmärkte weiter gefördert werden (keine zusätzlichen Anforderungen durch Mitgliedstaaten mehr, sogenanntes „Goldplating“, das teilweise auch als Kapitalverkehrshemmnis wirkt; Verstärkung der aufsichtsrechtlichen Konvergenz durch die europäischen Aufsichtsbehörden; rigorose Anwendung des Wettbewerbsrechts).

 

Im Hinblick auf Daten und Meldewesen einer Kapitalmarktunion will die Kommission einen konsolidierten Datenticker für die EU-Aktienmärkte erreichen, sei es auf Betreiben der Marktteilnehmer oder verpflichtend durch einen gewerblichen Anbieter. Auch will die Kommission aufsichtsrechtliche Meldungen beispielsweise durch gemeinsame IT-Lösungen für bestimmte Meldepflichten effizienter gestalten.

 

Für den Bereich der Marktinfrastruktur betont die Kommission die EU-weite Neuregelung der Handels- und Nachhandelsinfrastruktur durch einheitliche Anforderungen an robuste zentrale Gegenparteien (CCP) und Zentralverwahrer (CSD) und den für Mitte 2015 geplanten Start des vom Eurosystem betriebenen Projekts Target2Securities (kurz T2S, wodurch eine rechtsraumübergreifende Übertragung und Verwahrung von Wertpapieren möglich wird und rechtliche und operationelle Risiken entfallen). Bereits angestoßen sind Abwicklungsregelungen für systemrelevante Finanzinstitute wie beispielsweise auch CCPs.

 

Probleme respektive offene Fragen sieht die Kommission jedoch noch:

 

1. bei der doppelten Verwendung von Sicherheiten zur Besicherung verschiedener Transaktionen

2. ob eine Angleichung der unterschiedlichen nationalen Wertpapierrechtsrahmen angesichts von T2S erforderlich ist (das heißt EU-einheitliche Wertpapierdefinition)

3. bei der Rechtssicherheit von grenzüberschreitenden Übertragungen von Forderungen und deren Rangfolge (beispielsweise bei Insolvenz)

4. ob liquiditätsstützende Maßnahmen in anfälligen Marktsegmenten erforderlich sein könnten und ob für potentielle Market-Maker Markteintrittsbarrieren bestehen.

 

Hinsichtlich weiterer Rechtsgebiete wie dem Gesellschaftsrecht und der Corporate Governance wird insbesondere auf die angestoßenen Diskussionen verwiesen (zwei Konsultationen zur Corporate Governance, KOM(2010) 284 und KOM(2011) 164) sowie auf die derzeitige Überarbeitung der Aktionärsrechtsrichtlinie, die mehr Aktionärsengagement unter anderem von EbAV und langfristige Investitionen herbeiführen will (siehe oben). Angesprochen werden zudem die Thematik (insbesondere ausländischer) Minderheitenaktionäre sowie effizienter Aufsichtsräte. Probleme und Änderungsbedarf sieht die Kommission noch im Bereich der grenzüberschreitenden Mobilität und Restrukturierungen, bei kollidierenden gesellschaftsrechtlichen Normen und vor allem bei der (zu geringen) Harmonisierung von Insolvenzvorschriften (hier liegt der Kommission insbesondere daran, dass die Mitgliedstaaten frühe Restrukturierungsmaßnahmen einführen und die Bestimmungen zur „2. Chance“ zu erleichtern).

 

Erwähnt werden auch (wie bereits im Weißbuch Pensionen und Renten von 2012) unterschiedliche Steuerregelungen der Mitgliedstaaten, die der Entwicklung eines Kapitalbinnenmarkts im Wege stehen könnten (Seite 28; beispielsweise als Hindernisse für grenzüberschreitende Anlagen in Renten- und Lebensversicherungen). Konkrete Maßnahmen kündigt die Kommission an, sollten sich nach Überprüfung diskriminierende Steuervorschriften für grenzüberschreitende Immobilienanlagen von Lebensversicherungsgesellschaften und Pensionsfonds bestätigen. Wettbewerbsverzerrungen sieht die Kommission auch bei der unterschiedlichen Behandlung von fremdkapital- und eigenkapitalbasierten Finanzierungen (Anreiz für Fremdkapitalfinanzierung) und bei der Anerkennung von eigenkapitalähnlichen Finanzinstrumenten. Positiv bewertet die Kommission hingegen steuerliche Anreize für FuE-Ausgaben, die insbesondere innovative Start-Ups fördern sollen.

 

Abschließend spricht die Kommission die verstärkte Nutzung moderner Technologien an, die wichtige Treiber der Kapitalmarktintegration sein könnten. Hier sind beispielsweise neue elektronische Handelsplattformen, der Hochfrequenzhandel und so genannten „Finanztechnologie-Unternehmen“ zu nennen (das heißt Angebot innovative Finanzdienstleistungen in Kombination mit digitalen Finanzierungstechniken wie zum Beispiel Crowdfunding). Aber auch der Informationsaustausch zwischen Unternehmen, Aktionären und Behörden müsse digitalisiert werden (sowie entsprechende Anpassungen im europäischen und nationalen Gesellschaftsrecht vorgenommen werden), um Kosten und Zeitaufwand zu verringern und eine effizientere Kommunikation, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, zu ermöglichen.

 

VI. Fazit

 

Das Grünbuch „Kapitalmarktunion“ fasst eine Reihe von Vorhaben und Überlegungen zur Regulierung der EU-Finanzmärkte zusammen, wobei insbesondere die von der Kommission betonten (regulatorischen) Maßnahmen schwerpunktmäßig die Produkte und Märkte betreffen und weniger unmittelbar die Investoren.

 

Einige dieser Ziele und Vorschläge klingen interessant und könnten je nach Ausgestaltung tatsächlich Mehrwert für institutionelle Investoren bringen, etwa die EU-weite Vereinheitlichung und Standardisierung von Pfandbrief- und Unternehmensanleihenmärkten, die Förderung von Beteiligungs- und Risikokapital und von Privatplatzierungen für KMU sowie die Überlegungen zu einfachen, zugänglichen Bonitätsinformationen von KMU oder auch zur Marktinfrastruktur (hierzu siehe Abschnitte III bis V).

 

Doch auch die Skepsis ist groß: So wichtig es war, aus der Finanzkrise seit 2007 auch regulatorische Lehren zu ziehen, so sind jedoch viele institutionelle Anleger und insbesondere EbAV gebrannte Kinder, was die Regulierung der Finanzmärkte der letzten Jahre betrifft. EbAV sind von vielen Regulierungsvorhaben (mit-)erfasst worden, die oft erhebliche Auswirkungen haben, Aufwand- und Kostensteigerungen bedeuten – doch bei denen man sich am Ende des Tages fragen kann, ob die intendierten Regulierungsziele in der Praxis tatsächlich erreicht werden (hier sei beispielsweise auf die Derivate-Regulierung EMIR oder die Ratinganforderungen unter CRA III verwiesen). Weitere Themen sind bereits in Planung (zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer und das Shareholderengagement).

 

Welche Auswirkungen es haben kann, selbst wenn man vom Anwendungsbereich nicht direkt betroffen ist, lies sich bei der AIFM-Richtlinie und der Umsetzung im KAGB beobachten (zwischenzeitlich stand hier die Existenz von Spezialfonds und somit von Masterfonds-Konstruktionen auf dem Spiel), die zudem nicht nur redaktionelle Änderungen im Investmentsteuergesetz und der Anlageverordnung zum VAG nach sich zogen (letztere hat nun nach anderthalb jähriger Diskussion ein gutes Ende mit dem Kabinettsbeschluss am 25. Februar 2015 gefunden). Und über alledem schwebt seit 2011 das Damoklesschwert der Überarbeitung der Pensionsfondsrichtlinie: Für die derzeitige Überarbeitung (IORP II) ist eine Übernahme der quantitativen Anforderungen von Solvency II (Marktwertbilanz, risikofreier Zins, risikoorientierte Eigenkapitalanforderungen et cetera) für EbAV in Form des Holistic Balance Sheets zwar vom Tisch, aber das kann sich mit IORP III schnell wieder ändern. Sollte der HBS für EbAV irgendwann kommen, so ist davon auszugehen, dass dies – neben der grundsätzlichen Unangemessenheit des HBS für die Regulierung von EbAV – langfristige Investitionen in Unternehmen und Infrastruktur nicht fördert, sondern behindert, auch wenn die Kommission anderes behauptet. Daher ist man zu Recht skeptisch, was nun dieses Grünbuch (regulatorisch) am Ende alles mit sich bringen wird. Bleibt zu hoffen, dass diesmal tatsächlich die Vorteile überwiegen.

 

Der Autor ist Referent für wirtschaftliche Grundsatzfragen der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung (AKA), München.

 

Von Ihm ist (in unterschiedlicher Mit-Autorenschaft) zwischenzeitlich auf LEITERbAV erschienen:

 

Das Grünbuch „Schaffung einer Kapitalmarktunion“:

Fluch oder Segen für die bAV?

von Roberto Cruccolini, München, 18. Mai 2015

 

Umfangreiches EU-Meldewesen für EbAV:

Zu viel für die EIOPA-Verordnung!

von Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 24. Oktober 2017

 

EZB-Meldewesen für Altersvorsorgeeinrichtungen:

Verordnung veröffentlicht, Meldebeginn verschoben

von Dr. Roberto Cruccolini und Dr. Cornelia Schmid, München; Berlin, 6. März 2018

 

ESG-Regulierung für EbAV:

Steigend in der Schwebe

von Dr. Roberto Cruccolini, München, 9 März 2019

 

2. EU-Aktionärsrechterichtlinie:

Wie hilfreich doch eine Gesetzesbegründung sein kann …

von Dr. Roberto Cruccolini und Marco Suty, München; 2. März 2020

 

ESG Offenlegung – proportional, wesentlich, rechtssicher und mit verfügbaren Daten:

Mehr Zeit für Wesentliches

von Verena Menne Dr. Cornelia Schmid und Dr. Roberto Cruccolini, Berlin; München, 15. Dezember 2020

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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