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79. aba-Jahrestagung (III):

Flankierende Aufsichtsregeln für reine Beitragszusage

Auf der aba-Jahrestagung sprach Frank Grund, Chef der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der BaFin, über neue Entwicklungen im Aufsichtsrecht der bAV. Im Fokus stand das BRSG, an dessen Entwurf die BaFin als neutraler Berater beteiligt war. LbAV-Autor Detlef Pohl hat aufschlussreiche Details notiert.

 

Mittwoch vergangener Woche in Berlin, 79. aba-Jahrestagung. Nach dem kurzen, aber knackigen Auftritt der Arbeitsministerin Andrea Nahles trat Frank Grund ans Mikrofon. Und der Chef der deutschen Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht begann mit Grundsätzlichem: Die BaFin begrüße das Ziel, mit der reinen Beitragszusage (rBZ) die Verbreitung der bAV zu fördern, ohne damit bestehende Systeme in Frage zu stellen.

 

Durch Tarifverträge seien Skaleneffekte und somit kostengünstige Angebote möglich, fuhr Grund fort. „Zu kostengünstigen Lösungen dürften auch eine Öffnung der rBZ für mehrere Anbietergruppen und der damit verbundene Wettbewerb führen“, blickte der Aufseher dabei voraus, und weiter: „Das BRSG sieht eine Flankierung der rBZ durch spezifische Aufsichtsregeln vor, die für alle drei Einrichtungen gleich sind“, womit er Pensionskassen, Direktversicherungen und Pensionsfonds meinte. Zu diesen Regelungen gehörten für ihn solche zur Kapitalanlage, zum Risikomanagement, zu den Berichtspflichten gegenüber der BaFin sowie Informationspflichten auch gegenüber Anwärtern und Rentnern. Zudem würden Regelungen zur anfänglichen Betriebsrentenhöhe und deren späterer Anpassung vorgegeben. Für die rBZ würden auch sonstige Aufsichtsregeln wie bei Banken und Versicherern gelten, etwa zur Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung von Geschäftsleitern und zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation der durchführenden Einrichtung.

 

 

rBZ wie FLV – Bilanzierung zum Zeitwert

 

Im Folgenden ging Grund auf spezielle Aufsichtsregeln für die rBZ näher ein. Es sei aufsichtsrechtlich vorgesehen, dass die Einrichtungen bei der rBZ keine Leistungen garantieren dürfen. Das sorge für eine klare Abgrenzung zu den bestehenden Zusageformen. „Die rBZ ist aufsichtsrechtlich als fondsgebundene Lebensversicherung anzusehen“, erklärt der BaFin-Experte. Für Pensionsfonds gelte das analog. Daraus ergebe sich, dass die Kapitalanlagen in den Bilanzen der Einrichtungen zum Zeitwert zu bewerten sind. Spezielle Eigenmittelanforderungen für die rBZ gebe es nicht. Aber aufgepasst: „Für Lebensversicherer gelten auch bei Durchführung der rBZ die risikobasierten Eigenmittelanforderungen aus Solvency II.“ Da der jeweilige Anbieter bei der rBZ aber praktisch keine Risiken selbst trage, ergäben sich dafür nur geringe Eigenmittelanforderungen. Auf deren mögliche Höhe ging der Aufseher wegen des bisher nur im Entwurf vorliegenden BRSG nicht näher ein. Für Kassen und Pensionsfonds gelten Regelungen, die dort auch sonst für die fondsgebundene Lebensversicherung ohne Garantie gültig sind.

 

 

Verschiedene Anlagestöcke – Keine Quersubventionierung

 

Im VAG werde geregelt, dass für die rBZ ein gesonderter Anlagestock einzurichten sei, betonte Grund. Die Kapitalanlagen müssten also vom sonstigen Vermögen getrennt werden. „Bei stark divergierenden Tarifverträgen für die rBZ innerhalb einer Einrichtung kann die Bildung getrennter Anlagestöcke für jeden TV erforderlich sein.“ Dadurch werde auch eine Quersubventionierung zwischen unterschiedlichen Beständen verhindert. Bei der Vermögensanlage „gelten für alle Anbieter die Regelungen, die ansonsten nur für Pensionsfonds anzuwenden sind“, erinnerte der Aufseher. Dadurch seien „verstärkt Investments in Realwerte“ möglich, was zu höheren Erträgen und Renten führen kann als bei den bestehenden Durchführungswegen.

 

Frank Grund auf der aba-Jahrestagung am 10. Mai 2017 in Berlin. Foto: aba / Sandra Wildemann.

Die rBZ ist die folgerichtige Antwort auf eine möglicherweise noch länger andauernde Niedrigzinsphase“, so der BaFin-Exekutivdirektor. Doch mit einer chancenreichen Kapitalanlage seien naturgemäß auch Risiken verbunden. „Daher sieht die PF-Aufsichtsverordnung spezifische Anforderungen bei der rBZ an das Risikomanagement vor, welches die Verfahren zur Messung, Überwachung, Steuerung und Begrenzung der Volatilität der ausgezahlten Renten beinhaltet“, konstatierte der Jurist. Das sei im Risikobericht zu erläutern.

 

 

Bitte erst anmelden

 

Der BaFin seien bei Aufnahme des Geschäfts mit der rBZ von der Einrichtung der zugrunde liegende TV sowie weitere Unterlagen vorzulegen, später dann auch laufende Berichte. Wichtig seien die Festlegung der anfänglichen Rentenhöhen sowie ihre späteren Anpassungen. „Durch die Aufsichtsregeln gilt es, willkürliche Rentenhöhen zu vermeiden“, betonte der Aufseher. Maßgeblich sei dabei der Kapitaldeckungsgrad. „Der setzt das vorhandene Vermögen ins Verhältnis zum Barwert der dauerhaft zu zahlenden Renten“, erläuterte Grund. Bei über 100 Prozent reiche das Vermögen aus, anfangs müsse er zwischen 100 und 125 Prozent liegen. Das ist ein Puffer, der bei anfänglich niedrigen Renten dazu beiträgt, künftige Reduzierungen der Rente zu vermeiden. Später gelte: „Bei unter 100 Prozent ist die Rente zu senken, bei über 125 Prozent ist sie anzuheben“, so Grund weiter. Die Rentner seien jährlich über den Kapitaldeckungsgrad zu informieren. Neben dem Puffer für die Renten bei über 100 Prozent könne auch für die Anwärter ein kollektiver Puffer implementiert werden, blickte der Experte voraus. Darüber entschieden die Tarifparteien. Als Fazit für die neue bAV-Welt gab der 57jährige, der bis 2013 Chef der Basler Versicherungen Deutschland war, den Tagungsteilnehmern mit auf den Weg: „Die BaFin muss im Gegensatz zur alten bAV-Welt nicht die Erfüllung garantierter Leistungen sicherstellen, sondern die Durchführung der rBZ überwachen.“

 

 

Pensionskassen im Niedrigzins – Entspannung bei der ZZR?

 

Im Folgenden ging Grund auf die „alte bAV-Welt“ ein. Zunächst wenig überraschend: „Existierende Ansprüche werden nicht auf die rBZ übertragen werden können.“ Ähnlich zu früheren Aussagen (die er dann etwas relativiert hatte) betonte der Aufseher, dass Pensionskassen von der Niedrigzinsphase besonders betroffen seien, da sie überwiegend lebenslange Renten garantieren. Doch die laufenden Maßnahmen würden greifen, fast alle hätten ihre Rückstellungen verstärkt. Derzeit liege der Rechnungszins im Schnitt der Kassen noch über 3,0 Prozent, was einige Kassen vor Probleme stelle, in absehbarer Zeit Leistungen noch in voller Höhe zu erbringen. Grund verwies auf seine Äußerungen vom Vortag auf der Jahrespressekonferenz der BaFin. Acht Pensionskassen haben nach derzeitigem Stand den aktuellen jährlichen BaFin-Stresstest nicht in allen Szenarien bestanden.

 

Der Aufseher zählte auch die möglichen Auswege für die Träger auf: Die Arbeitgeber könnten steuerfreie Sonderzahlungen an die Kasse leisten, Hybridkapital einsetzen, nachträglich einen Gründungsstock einrichten, laufende Beiträge erhöhen oder Einmalschlussbeiträge leisten. Bei der Rückzahlung der Beträge zeige sich die BaFin „flexibel“.

 

Das Aufsichtsregime „reicht aus“, betonte Grund im weiteren Verlauf seines Vortrags. Mittelbar komme den Wettbewerbskassen, die wie LVU eine Zinszusatzreserve (ZZR) bilden, entgegen, dass die BaFin sich hier beim Gesetzgeber für Erleichterungen einsetze. „Ich glaube, dass es sinnvoll ist, ab 2018 über eine Veränderung im Sinne eines moderaten Aufbaus nachzudenken“, hatte Frank Grund kurz vor der aba-Tagung der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Grund betonte aber, dass Änderungen bei der ZZR Sache des Gesetzgebers seien. Eine Absenkung bei LVU hätte auch positive Auswirkungen auf die versicherungsförmigen Durchführungswege. Allein in diesem Jahr müssten die Lebensversicherer laut Grund noch einmal rund 20 Milliarden Euro in die ZZR einzahlen. Die Kapitalpuffer wüchsen damit auf insgesamt 64 Milliarden Euro. Die Anstalt zwingt die Lebensversicherer seit 2011, jedes Jahr Geld in Form der ZZR zur Seite zu legen, um auch in der Niedrigzinsphase die langfristigen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden aus früheren Jahren erfüllen zu können.

 

 

Umsetzung von EbAV-II in der Vorbereitung

 

Ein weiterer Punkt des Grund'schen Vortrages auf der aba-Tagung betraf die EbAV-II-Richtlinie, die bis 13. Januar 2019 in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Darin sollen durch ein neues Aufsichtsregime mit qualitativen Vorschriften Schieflagen von bAV-Einrichtungen vermieden werden.

 

So soll mindestens alle drei Jahre eine neue Risikobeurteilung erfolgen. In jedem Fall kommen neue Informationspflichten auf Pensionskassen zu (für Leistungsempfänger, Anwärter und potenzielle Anwärter). Die bisherigen VAG-Regelungen seien aber schon eine gute Basis. Es deuten sich auch Neuerungen zu grenzüberschreitenden Bestandsübertragungen an. „Eine Arbeitsgruppe aus BMF und BaFin beschäftigt sich bereits jetzt mit der Umsetzung der Richtlinie durch Änderungen im VAG“, berichtete Grund.

 

 

EIOPA weiter ambitioniert – mit der Anstalt an der Seite

 

In der Folge skizzierte der BaFin-Exekutivdirektor die Bestrebungen zur Harmonisierung der Finanzaufsicht in der EU, die Grund „grundsätzlich gut findet“. Die Eiopa-Behörde werde aber auch stärker in die bAV hineinwirken, ohne freiwillig auf die deutschen Besonderheiten Rücksicht zu nehmen, gab er zu bedenken. Derzeit gebe es drei Zukunftsprojekte, die Eiopa vorantreiben will:

 

Erstens plant die EU-Kommission als Teil der Kapitalmarktunion ein einfaches, effizientes, transparentes und wettbewerbsfähiges EU-bAV-Produkt, kurz: PEPP.

 

Schon im Juni will die EU-Kommission einen ersten praktischen Vorschlag vorstellen, der ein ganz neues Regime in der bAV begründete, eventuell auch ein europäisches Rentenkonto für jeden Bürger. „Wir sind zwar kein Regulator, sondern Aufseher, wirken als BaFin aber an den Vorhaben konstruktiv mit“, betonte Grund, nicht ohne auf die Komplexität in Sachen Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht hinzuweisen. „Es gibt heute in Deutschland wohl kein einziges persönliches Altersvorsorgeprodukt, das diesen Anforderungen von wenigstens zwei EU-Mitgliedsländern genügt“.

 

Zweitens haben Vorarbeiten zu einem paneuropäischen DC-Plan begonnen. In vielen EU-Ländern gibt es den Trend weg von Leistungszusagen und hin zu DC-Plänen. Die Eiopa will noch Ende 2017 einen Rahmenplan („Diskussionspapier mit möglichen Optionen“) für einen paneuropäischen DC-Plan vorlegen. Bis Anfang April wurde dazu das Interesse der Mitgliedsländer abgefragt. Ergebnisse liegen noch nicht vor. „Die BaFin wird aber die Besonderheiten der deutschen bAV dabei in jedem Falle berücksichtigen“, suchte Grund seine Zuhörer zu beruhigen.

 

Drittens komme demnächst ein weiter „EU-weiter Stresstest der EbAV-Einrichtungen“ durch die Eiopa. Dieser werde von Mitte Mai bis Mitte Juli durchgeführt, blickte Grund voraus. Die betroffenen EbAV-Einrichtungen seien bereits informiert. Sinn des Stresstests sei es, das Widerstandsszenario in einem ungünstigen Marktszenario zu bewerten. Das Prinzip sei ähnlich wie bei dem ersten Test wieder nach nationalen Bewertungskriterien erfolgen, aber EU-weit nur noch nach einem einzigen Szenario. Die Transparenzanforderungen der EU seien generell sehr hoch. „Wir haben aber darauf gedrungen, keinesfalls Daten einzelner Unternehmen und Träger namentlich zu nennen, weil sonst die Mitwirkung der Trägerunternehmen in der Zukunft gebremst würde“, erklärte Grund. Der Stresstest werde künftig wohl „ähnlich wie in der Lebensversicherung alle zwei Jahre vorgenommen“.

 

Als Bilanz seines fundierten und fachlich sehr dichten Vortrages zog Frank Grund: „Die bAV als langfristiges Geschäft braucht stabile Rahmenbedingungen, doch diese Rahmenbedingungen haben sich entscheidend geändert“. Zum einen werde der Aufsichtsrahmen stärker durch Europa bestimmt, zum anderen hätten sich wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert („volatilere Märkte, niedrige Kapitalmarktzinsen wohl für längere Zeit“). Die Schaffung der rBZ sei letztlich eine Reaktion auf die geänderten ökonomischen Rahmenbedingungen. Die vielen regulatorischen Initiativen seien der „Versuch, den Rahmen für die bAV zu stabilisieren“.

 

Fazit: Die Bandbreite der Aufsicht nimmt zu, auch der Druck aus der EU auf die deutsche bAV wächst.

 

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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