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Solvency II: Kopie für EbAV oder nicht?

Eine offene Flanke namens Säule II

Hochkarätig besetzt war die „EIOPA Conference 2013“ im Rahmen der EuroFinanceWeek am 20. November in Frankfurt. Zumindest von politischer und behördlicher Seite war fast alles vertreten, was im Pensionswesen Rang und Namen hat. Im folgenden einige Impressionen, die aber nicht alle unbedingt für Erleichterung sorgen können. Doch könnte am Ende die Vernunft siegen.

 

  

Michel Barnier, Europäische Kommission

 

Michel Barnier, Europäische Kommission Copyright Maleki Group, Jochen Müller
Michel Barnier, Europäische Kommission
Copyright Maleki Group, Jochen Müller

Barnier als Binnenmarktkommissar blieb in seiner Rede seinem Rang entsprechend eher im allgemeinen, als dass er sich mit technischen Details auseinandersetzte. Er betonte, er sei sich der Kritik vieler Marktteilnehmer an dem Holistic Balance Sheet bewusst, „doch sollten wir anerkennen, dass dies ein ernsthafter und wichtiger Versuch gewesen ist, Pensionsfonds-Systeme in Europa zu vergleichen.“ Die Arbeit daran gehe weiter. Doch bekräftigte der Franzose nochmal ausdrücklich seine Entscheidung von letztem Mai, wonach die kommende Pensionsfondsrichtlinie-II keinerlei quantitativen Elemente für Einrichtungen der bAV enthalten werde. Der Richtlinienentwurf werde sich auf die Themen Governance und Transparenz beschränken. „Unser Ziel ist es, ein Umfeld schaffen, in dem Pensionsfonds wachsen und sich entwickeln können.“ Das gelte nicht nur grenzüberschreitend, sondern auch auf nationalen Märkten.

 

Ohne einzelne Staaten zu nennen erklärte Barnier, dass „Mitgliedstaaten mit bereits entwickelten Sektoren für Pensionsfonds und hohen Standards für Governance und Transparenz von den Vorschlägen nicht großartig berührt werden sollten.“ Es sei wichtig, dass Pensionsfonds weiterhin ihre wichtige Rolle als Long-Term-Investoren in der Europäischen Union ausfüllen können, und besonders Lebensversicherer und Pensionsfonds seien wegen ihrer langfristigen Verbindlichkeiten die perfekten Long-Term-Investoren. „Sie nehmen hier geradezu eine Schlüsselrolle ein.“ Aber viel zu oft investierten sie angesichts des Niedrigzinsumfeldes außerhalb der Union. „Wir müssen Wege finden, sie zu Long-Term-Investments in der EU, beispielsweise in Infrastruktur oder grüne Energie, zu ermutigen“, so Barnier.

 

 

Thomas Steffen, Bundesministerium der Finanzen

 

Thomas Steffen, BMF Copyright Maleki Group, Jochen Müller
Thomas Steffen, BMF
Copyright Maleki Group, Jochen Müller

Müssen sich Europas Einrichtungen der bAV mit Placet der Bundesregierung auf qualitativ-regulatorische Anforderungen einstellen, die sich an der Säule II der Solvency-II-Regelungen für die Versicherer orientieren? Denn auch Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, gab auf der Jahresversammlung der europäischen Aufsichtsbehörde einen kurzen Einblick in seine Vorstellungen. In seiner Keynote sagte Steffen: „Wir können heute offen die Pros und Cons diskutieren, einige Elemente von Solvency II auf Pensions zu übertragen. Ich denke, das Ziel der Kommission ist klar, und ich unterstütze das: die mögliche Anpassung von Solvency II auf die Pensionsfondsrichtlinie. Ich bin zufrieden, dass Eiopa die Ergebnisse der QIS für Pensionsfonds im April veröffentlicht hat.“ In diesem Zusammenhang sagte Steffen zwar, wohl alle seien sich einig, dass die quantitativen Elemente der Säule I von Solvency II die Eigenheiten des Pensionswesens nicht adäquat abbilden würden. Doch er erklärte auch: „Das Übertragen und Kopieren von qualitativen Anforderungen wie Risikomanagement entspricht von Anbeginn der Diskussionen dem deutschen Standpunkt – nicht Säule I zu kopieren, aber die meisten Elemente der Säule II dort wo angebracht.“

 

Diese Aussage steht allerdings in gewissem Gegensatz zu den Statements von Klaus Wiedner, Chef des Referats H 5 „Versicherungen und Renten“ im EU-Binnenmarktkommissariat Barnier, der am Vortag auf dem „8th European Pension Funds Congress“ noch betont hatte, dass der Richtlinienentwurf auch bei Governance und Transparenz kein Copy-Paste von Solvency II sein wird.

 

Inwieweit beide Aussagen am Ende mit der kommenden, real existierenden Pensionsfondsrichtlinie-II in Einklang stehen werden, wird man sehen. Das ist eine mehr als nur akademische Diskussion. Manch ein Industrievertreter befürchtet, dass zwar die neue Pensionsfondsrichtlinie-II keine quantitativen Elemente enthalten wird, jedoch diese zumindest systemisch über die Hintertür der Säule II eingeführt werden, beispielsweise über ein zu den Versicherern analoges Own Risk and Solvency Assesment ORSA.

 

 

Gabriel Bernardino, Eiopa

 

Gabriel Bernardino, EIOPA Copyright Maleki Group, Jochen Müller
Gabriel Bernardino, EIOPA
Copyright Maleki Group, Jochen Müller

Für die Eiopa sprach Gabriel Bernardino. In seiner sehr selbstbewusst und energisch vorgetragenen Rede betonte der europäische Oberaufseher die Weiterarbeit am HBS für EbAV: „Im Laufe des Jahres 2014 werden wir die Definitionen und Methoden zur Bewertung des holistischen Bilanzansatzes verbessern, um der Europäischen Kommission eine Anzahl von technischen Vorschlägen zu einem europäischen risikobasierten Aufsichtsregime zu präsentieren, das die spezifische Realität von Pensionsfonds angemessen reflektiert.“

 

Bezüglich des Versicherungswesens sprach er sich für neue Formen der Garantien aus, die im deutschen Markt bereits ansatzweise zu erkennen sind: „Ich bin sicher, dass die Versicherer unter dem neuen Solvenzregime neue Formen von langfristigen Garantien entwickeln werden, die ein besseres Pricing der Wahlmöglichkeiten und Garantien beinhalten. Fakt ist, dass alle Garantien Kosten haben und die Konsumenten erkennen müssen, dass Produkte, die gleichermaßen kurz- und langfristige Garantien bieten, definitionsgemäß extrem teuer sind. Daher ist damit zu rechnen, dass die Konsumenten kurzfristige Sicherheit werden aufgeben müssen, um die langfristigen Garantien in einem nachhaltigen und leistbaren Rahmen zu erhalten.“

 

Am Ende sprach der Portugiese noch eine allgemeine Warnung aus: „Alles in allem sollten Finanzdienstleister aufhören, das zu tun, was legal ist, und beginnen, das zu tun, was gerecht ist.“

 

 

Die KID-Diskussion

 

Auf der am Rande der Veranstaltung abgehaltenen Pressekonferenz äußerte sich Bernardino auch zu der gegenwärtigen Diskussion um die Pflicht für ein KID für EbAV (Hintergründe zu der Problematik hier). Bernardino sagte vor den Journalisten: „Wir sprechen uns deutlich für ein KID gleichermaßen für Versicherer und IORPS aus, insbesondere angesichts des Trends zu DC. Das ist unsere Position, und wir hoffen, dass die Politik in diese Richtung geht. Wir wollen für die Berechtigten nicht mehr Informationen, sondern solche von besserer Qualität.“

 

Auch in Zusammenhang mit dieser Diskussion ist die Position der Kommission relevant. Für diese hatte Klaus Wiedner gegenüber Leiter-bAV.de bereits bestätigt (siehe obigen Link), dass „die Transparenz gegenüber den Berechtigten eine der wichtigsten Verbesserungen in unserem Vorschlag zur neuen Pensionsfondsrichtlinie sein wird.“ Also hat die Kommission hier als Regelwerk die IORP-II-Richtlinie im Auge und nicht – wie das Europäische Parlament – die PRIPS-Verordnung, die in Kürze im Trilog zwischen Kommission, EP und Europäischem Rat verhandelt werden muss. Doch selbst wenn in dem Trilog das Ergebnis lauten sollte, dass EbAV aus der PRIPS-Verordnung ausgespart werden, könnte sich die Kommission in der IORP-II-Richtlinie ja durchaus in diesem Punkt schlicht an den PRIPS-Regelungen orientieren. Allerdings heißt es in Brüsseler Kreisen, dass sich die Kommission der Schwammigkeit des EP-Beschlusses zu PRIPS bezüglich der Ausnahmetatbestände für EbAV durchaus bewusst sei.

 

Prognose: Am Ende könnte stehen, dass EbAV aus der PRIPS-Verordnung komplett ausgespart werden, aber in der neuen IORP-RL-II das KID für bAV-Lösungen genau dann zur Pflicht wird, wenn diese von externen Finanzdienstleistern (vor allem als DC) erbracht werden und nicht von unternehmenseigenen EbAV – ein Ergebnis, dass durchaus Level Playing Field-Charakter hätte (Gleichbehandlung beispielsweise von Lebensversicherung und Direktversicherung), das außerdem mit dem Level Playing Field-Charakter eines möglicherweise angepassten Artikels 4 einer neuen IORP-II-RL Hand in Hand gehen könnte und schließlich in der Tat einer gewissen Logik nicht entbehren würde.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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