Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Rund um 17b (II):

„Ein Werkstück, an dem man jetzt arbeiten kann.“

 

Auf der aba-Herbsttagung am 4. November in Köln sprach manch Vortragender zu dem Vorstoß des BMAS zu gemeinsamen EbAV der Tarifvertragsparteien. Und zu mehr. LbAV dokumentiert einige der Vorträge in Auszügen. Heute: Peter Görgen.

 

 

Leiter-bAV.de dokumentiert kommentarlos die prägnantesten Stellen des ohne Manuskript gehaltenen Vortrags des Bonner Referatsleiters „Zusätzliche Altersvorsorge“ im BMAS, die sich in Teilen auf die zuvor von aba-Chef Heribert Karch gehaltene Rede bezieht:

 

 

Zur Durchdringung der bAV:

 

Peter Goergen auf der aba-Herbsttagung in Koeln. Foto: Institutional Money/Punz.
Peter Goergen auf der aba-Herbsttagung in Koeln.
Foto: Institutional Money/Punz.

Nach 2005 hatten wir kaum eine Dynamik in der Verbreiterung der betrieblichen Altersversorgung. Der Zuwachs seitdem stammt in erster Linie aus Pensionskassen und Direktversicherungen. Wir werden in den nächsten Wochen die neuen Verbreitungszahlen für das Ende des letzten Jahres haben. Vermutlich wird sich wenig geändert haben.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man gewusst hätte, dass das der Kern dieser Richtlinie werden würde, wäre die Aufregung im Vorfeld lange nicht so groß gewesen.“

 

 

 

Zur europäischen Regulierung:

 

Seit zehn Jahren beschäftigten uns immer wieder diese beiden Damoklesschwerter, die über uns hingen: einmal die Mobilitätsrichtlinie, zum anderen die Pensionsfondsrichtlinie. Bei der Vorlage der neuen Pensionsfondsrichtlinie war der kritischste Punkt – die quantitativen Solvabilitätsvorgaben – von Anfang an raus. Jetzt reden wir noch von Erleichterungen bei den grenzüberschreitenden EbAV, dann stehen im Zentrum natürlich die Governance-Fragen – Stichwort Risikomanagement –, und schließlich folgen noch die Informationsvorgaben. Wenn Sie sich jetzt ansehen, was in dem zweiten Vorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft noch drin steht, dann ist das, so meine ich, nicht mehr allzu kritisch. Und wenn man gewusst hätte, dass das der Kern dieser Richtlinie werden würde, wäre die Aufregung im Vorfeld lange nicht so groß gewesen.

Die Richtlinie muss noch durch das Europaparlament, doch angesichts der komplexen Materie besteht die Hoffnung, dass dort wohl nicht mehr so viel passieren wird. Die italienische Ratspräsidentschaft will die Angelegenheit am 10. Dezember im ECOFIN abschließen. Das halte ich für sehr ambitioniert, aber nicht mehr für ausgeschlossen. Und ich würde es auch nicht für schlimm halten, denn dann hätten wir an dieser Stelle für lange Zeit Ruhe.“

 

 

 

Natürlich jubiliert man im BMF nicht, wenn man mit den Forderungen der Betriebsrenten-Szene konfrontiert wird.“

 

 

 

Zum Gutachten „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der bAV“:

 

Herr Karch hat es angesprochen: das Optimierungsgutachten. Ich gehe davon aus, dass keine böse Absicht des BMF hinter der Verzögerung steckt. Grund für die Verzögerung ist in erster Linie die vorläufige Haushaltsführung 2014. Deshalb konnte das Gutachten erst Mitte des Jahres ausgeschrieben werden. Nun ist ausgeschrieben, die Bewerbungen sind da. Und dass wir nun im ersten Halbjahr 2015 mit Ergebnissen rechnen können, ist nachvollziehbar. Natürlich jubiliert man im BMF nicht, wenn man mit den Forderungen der Betriebsrenten-Szene konfrontiert wird. Und dieses Gutachten selbst firmiert ausdrücklich unter 'Optimierung' und nicht etwa unter 'Erweiterung des Dotierungsrahmens'. Aber ich denke, dass es ein wesentlicher Schritt war – zurückgehend auf unseren Arbeitskreis von 2012 –, dass das BMF sich hier bereit erklärt hat, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Und auch ich glaube, dass es viele Punkte gibt, wo es Änderungen, Verbesserungen geben kann. Denken Sie nur an die zusätzlichen 1.800 Euro Steuerfreiheit, die noch aus dem alten Paragrafen 40b EStG resultierten. Diese Besonderheit hat – das sehen auch die BMF-Kollegen ähnlich – im Zeitablauf keinen echten Sinn mehr.

 

 

 

Ich hatte sogar den Eindruck, als sähe der eine oder andere ziemlich zerlumpt aus.“

 

 

 

Zur Erweiterung des Dotierungsrahmens des Paragrafen 3 Nr. 63 EStG mit Blick auf Sozialversicherungsfreiheit und Steuerausfälle:

 

Das Gutachten bezieht sich nicht nur auf steuerliche Förderungen, sondern auch auf die Sozialversicherungsfreiheit. Bleiben wir an der Stelle realistisch. Ob das BMAS hier eine Erweiterung akzeptieren könnte, sehe ich sehr kritisch. Die DRV Bund stünde uns sofort auf den Füßen und würde sagen: 'Ihr müsst das umgekehrt machen, nämlich die Sozialversicherungsfreiheit aus dieser Förderung raus halten.'

[…]

Dann käme auch noch der Bundesminister der Gesundheit ins Spiel. Auch den könnten wir vielleicht mit guten Sachargumenten zu einer Diskussion bewegen. Aber irgendwann, irgendwo müsste man ihm auch erklären, wo er denn die fehlenden Mittel her bekäme. Ohne Gegenfinanzierung wäre da nichts zu machen.

[…]

So, und jetzt habe ich den größten Partner in dieser Sache noch gar nicht genannt, und das ist der Finanzminister. Wir im BMAS sitzen ja auf der anderen Seite der Wilhelmstraße (Sitz von BMAS und BMF in Berlin, Anm. der Red.), und von da hat man einen Blick auf das Gebäude des BMF. Und ich darf Ihnen versichern: Die Reihe der Bittsteller, die da vorm Haus steht, ist in den letzten Monaten nicht kleiner geworden. Ich hatte sogar den Eindruck, als sähe der eine oder andere ziemlich zerlumpt aus. Fazit: Man sollte an der Stelle die Hoffnungen nicht ins Unermessliche steigen lassen. Bleiben wir realistisch.“

 

 

 

Zu Obligatorium und Opting-out:

 

Entsprechende Vorstellungen haben keinen Niederschlag im Koalitionsvertrag gefunden. Von daher befruchten sie zwar die Diskussion, weil sie zeigen, wo die Alternativen sind, aber ob sie in dieser Legislatur umgesetzt werden können, erscheint fraglich.“

 

 

 

Man sollte nicht so tun, als würde hier die Revolution der bAV diskutiert.“

 

 

 

Zum Vorschlag eines neuen Paragrafen 17b BetrAVG:

 

Wir wollen das 'Tarifgeschäft Betriebsrente' beleben. Wir wollen den Beteiligten einen Schubs geben, ein Incentive setzen, damit sie mehr tun als bisher. Allein die Diskussion über eine stärkere Rolle der Sozialpartner beim weiteren Auf- und Ausbau der bAV ist wichtig. Sie muss geführt werden.

[…]

Wir schlagen dazu vor, den Sozialpartnern mehr Gestaltungsfreiheit zu geben und mehr Regelungen im Betriebsrentengesetz als bisher tarifdispositiv zu gestalten. Der Vorschlag verknüpft dabei die Möglichkeit der Tarifvertragsparteien, in ihrem Tarifbereich eine reine Beitragszusage einzuführen, mit der notwendigen Durchführung dieser reinen Beitragszusage über eine gemeinsame Einrichtung.

[…]

Man sollte nicht so tun, als würde hier die Revolution der bAV diskutiert. Der Vorschlag tritt neben die bestehenden Systeme. Selbstverständlich führte das zunächst mal zu einer höheren Komplexität. Aber in der Zielrichtung ist es natürlich eine Vereinfachung. Es ist auch nicht so, dass wir auf der Grundlage des Vorschlags schon im Frühjahr 2015 die ersten neuen Einrichtungen an den Start gehen sehen. Sondern es ist in der Tat ein langfristiger Gedanke. Es wäre ein Samenkorn, das ins Gesetz gepflanzt wird, das mittel- und langfristig schöne grüne Äste geben könnte. Nicht mehr und nicht weniger.

[…]

Es ist also das Angebot an die Sozialpartner, diesen Schritt zu gehen; keiner zwingt sie dazu. Aber am Ende könnten gemeinsame Einrichtungen stehen, die von Arbeitgebern und Beschäftigten paritätisch getragen werden und die – ich glaube, das ist unbestritten – kostengünstig und effizient betriebliche Altersversorgung organisieren können.

[…]

Wir haben unseren Vorschlag direkt in einen möglichen Paragrafen gegossen. Hintergrund war in der Tat, den Beteiligten an der Stelle die Diskussion zu erleichtern. Wenn wir unseren Vorschlag in Prosa gefasst hätten, so glaube ich, wäre diese Diskussion nur sehr viel schwieriger in Gang gekommen. So hat man ein Werkstück, an dem man jetzt arbeiten kann. Ich freue mich jedenfalls auf den 18. November.“ (Konferenz im BMAS mit allen relevanten Stakeholdern in dieser Frage, Anm. der Red.).

 

 

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