Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (I)

Nachdem der Pensionsfonds mit der Neufassung des Paragraphen 112 VAG nun auch Einmalkapitalzahlungen vornehmen darf, ist die „Reine Beitragszusage“ auch für ihn grundsätzlich möglich geworden – mit Einschränkungen. Professor Reinhold Höfer erläutert (Teil I von II).

 

1. Die Haftung für Versorgungsleistungen

 

Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nennt in seinem Paragraphen 1 drei verschiedene Zusagearten, und zwar die:

 

a) Reine Leistungszusage, bei der der Arbeitgeber dem Grunde und der Höhe nach eine fest definierte Versorgungsleistung verspricht, die er entweder ab dem Eintritt des Versorgungsfalles selbst oder unter Einschaltung eines externen Versorgungsträgers, wie zum Beispiel einer Unterstützungskasse, erbringt (Paragraph 1 Abs. 1 BetrAVG);

 

b) Beitragsorientierte Leistungszusage, die Leistungen unter den gleichen Voraussetzungen gewährt wie vorab unter a) geschildert, bei der aber neben den Leistungsvoraussetzungen auch der Beitrag des Arbeitgebers genannt wird, den er zur Finanzierung jener Leistungen tatsächlich oder innerbetrieblich kalkulatorisch aufwendet. Dabei kann ein Teil der Versorgungsleistungen nicht fest versprochen sein, sondern von dem Anlageerfolg eines externen Versorgungsträgers abhängen, so zum Beispiel von der Überschussbeteiligung eines Lebensversicherers (Paragraph 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG);

 

c) Beitragszusage mit Mindestleistung, bei der die Versorgungsleistung vom Anlageerfolg der für sie aufgewendeten Beiträge abhängt, mindestens jedoch eine Versorgungsleistung entsprechend der Höhe jener Beiträge gewährt werden muss, wobei von der Beitragssumme noch die Kosten für die Deckung von Invaliditäts-und Todesfallrisiken abgezogen werden dürfen (Paragraph 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG).

 

Bei all diesen Zusagearten haftet der Arbeitgeber verschuldensunabhängig für den fest versprochenen Leistungsanteil. Dies gilt nicht nur für unmittelbare Versorgungszusagen, bei denen der Arbeitgeber die Versorgungsleistungen selbst auszahlt. Vielmehr erstreckt sich jene Haftung auch auf Leistungen, die ein vom Arbeitgeber eingeschalteter externer Versorgungsträger (Pensionskasse, Lebensversicherer, Pensionsfonds, Unterstützungskasse) erbringen müsste, aber gleichgültig aus welchem Grund nicht zahlen kann. Diese äußerst weitgehende Haftung ergibt sich aus Paragraph 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Es hilft dem Arbeitgeber also nicht, wenn er die Prämien an einen externen Versorgungsträger vollständig geleistet hat und dieser die fest versprochenen Versorgungsleistungen dennoch nicht gewährt. Tritt dies ein, muss der Arbeitgeber erneut zahlen. Er hat aufgrund der gesetzlichen Vorschrift sein auf Leistungen gerichtetes Versorgungsversprechen noch nicht erfüllt.

 

2. Keine Haftung für die Höhe der Versorgungsleistungen bei „Reinen Beitragszusagen“

 

Nun muss der Arbeitgeber aber nicht notwendigerweise eine der drei vorab genannten Zusagearten gewähren. Er kann sein Versprechen auch auf die Beitragszahlung beschränken und für die aus ihr finanzierbare Leistung jegliche Haftung ausschließen. Diese Zusageart wird als „Reine Beitragszusage“ bezeichnet. Bei ihr trägt der Arbeitnehmer das Anlagerisiko. Die beim Eintritt des Versorgungsfalls zu gewährende Leistung hängt ausschließlich von dem Anlageerfolg aus den Beiträgen ab. War er schlecht, ist der Arbeitnehmer der Leidtragende, war er gut, wird dies den Arbeitnehmer freuen.

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass „Reine Beitragszusagen“ durchaus zulässig sind. Allerdings sollen sie nach seinem Rechtsverständnis nicht zur betrieblichen Altersversorgung gehören und somit auch nicht dem Betriebsrentengesetz oder dem sonstigen Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung unterfallen (erneut BAG 3 AZR 408/10 vom 19. Juni 2012). Somit wäre auch die unter 1. geschilderte Haftung für die Versorgungshöhe nicht einschlägig.

 

Reine Beitragszusagen“ existieren nicht nur in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, sondern – wenn bislang noch seltener – in Deutschland. Sie findet man vor allem bei deutschen Tochterunternehmen angelsächsischer Mutterunternehmen.

 

Vielleicht wächst aber der Verbreitungsgrad „Reiner Beitragszusagen“ auch in Deutschland, wenn sich nach der 2013 erfolgten Neuregelung des Pensionsfonds im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) herumspricht, dass Pensionsfonds nun auch Einmalkapitalzahlungen bei der Pensionierung gewähren dürfen (Paragraph 112 Abs.1 Satz 1 Nr. 4 VAG), und dass sie nicht mehr wie bislang lebenslänglich gleichbleibende Altersrenten gewähren müssen, wenn Altersleistungen zugesagt wurden. Denn der Pensionsfonds ist bis zur Pensionierung in seiner Mittelanlage frei. Er kann seine Leistungen auf den Anlageerfolg aus seiner Mittelanlage beschränken. Er muss nicht wie bei lebenslangen Altersrenten, deren gleichbleibender Mindestbetrag bei der Pensionierung definitiv festgesetzt wird, die Deckungsmittel versicherungsförmig anlegen und somit ein Leistungsversprechen erfüllen, das bei dem Arbeitgeber ab dann die unter 1. geschilderte verschuldensunabhängige Haftung auslöst.

 

Dem Gewähren der „Reinen Beitragszusage“ durch den Pensionsfonds steht auch nicht die Nummer 1 des Paragraph 112 Abs. 1 Satz 1 VAG entgegen, die unter anderem das Gewähren von „Leistungen der betrieblichen Altersversorgung“ voraussetzt. Denn die Wertung des BAG, dass „Reine Beitragszusagen“ keine betriebliche Altersversorgung seien, ist ja rein arbeitsrechtlicher Natur und gilt daher nicht notwendigerweise für das Versicherungsaufsichtsrecht. Ein Auseinanderfallen des arbeitsrechtlichen Begriffsinhalts und des versicherungsaufsichtsrechtlichen ist auch nicht ungewöhnlich. Man denke nur an die seit langem von Pensionsfonds praktizierte Versorgung von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH. Auch diese Versorgung gehört zur betrieblichen Altersversorgung, obwohl sie nicht dem Betriebsrentengesetz unterfällt.

 

Teil II des Beitrags findet sich hier.

 

Der Autor ist Mitverfasser eines Standardkommentars zum Arbeits-, Steuer-, Sozialabgaben-, Bilanz- und IFRS-Recht der betrieblichenAltersversorgung.

 

Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

 

Diskussion um die entgeltliche Übernahme von Versorgungsverpflichtungen:

Teilwertverfahren statt PUC nicht folgerichtig

von Reinhold Höfer, Luzern, 17. April 2013

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (I)

von Reinhold Höfer, Luzern, 14. April 2014

 

Trennung von Arbeits-, Steuer- und Versicherungsaufsichtsrecht:

Die „Reine Beitragszusage“ über den Pensionsfonds (II)

von Reinhold Höfer, Luzern, 15. April 2014

 

Zwei Mal dritter Senat:

Der Vorrang des Versorgungszwecks

von Professor Reinhold Höfer, Luzern, 11. Juni 2015

 

Pensions in der Praxis: bAV für die Mitarbeiter von Freiberuflern

Rückgedeckte Direktzusage versus Geringverdienerförderung – ein Vergleich

von Professor Reinhold Höfer, Luzern, in der Tactical Advantage Volume 2, im September 2019

 

Gegenwart und Zukunft von BOLZ und BZML:

Zwischen Historie und Unmöglichkeit

von Professor Reinhold Höfer, Luzern, 7. April 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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