Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

19. Handelsblatt Jahrestagung bAV (I):

„Die Linie ist nicht zu halten“

Gestern in Berlin, Auftakt der der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung bAV. Die neuen alten Koalitionäre von Union und SPD probten schon einmal den Schulterschluss in der Rentenpolitik. Manfred Brüss war dabei.

 

Es wird eine spannende Legislatur“, sagte die morgen aus dem Amt scheidende Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD), eingangs der Fachkonferenz. Nach der fast halbjährigen Regierungsfindung werde jetzt „Politik intensiv“ kommen. Dabei zeigte sie sich überzeugt, dass das BRSG als Langfristmodell Erfolg haben werde.

 

 

Ran an die Bürger

 

Ralf Kapschack…

Der Ball liege jetzt bei den Sozialpartnern. Das BRSG könne nicht alle Probleme lösen, aber durchaus eine Schrittmacherfunktion übernehmen. Das sagte Ralf Kapschack Rentenexperte der SPD-Bundestagsfraktion in der von Heribert Karch moderierten, auf der Tagung schon traditionellen politischen Diskussionsrunde (die in ähnlicher Besetzung bereits Ende Februar stattgefunden hatte).

 

 

 

 

 

Auch der Abgeordnete und CDU-Rentenexperte Peter Weiß äußerte sich überzeugt, dass die Sozialpartner den Ball aufgreifen werden, wenn die diesjährige Lohnrunde erst einmal abgeschlossen ist. Weiß wünschte sich vom neuen designierten Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) eine Öffentlichkeitskampagne, um die Fülle an Neuregelungen den Bürgern auch nahe zu bringen. Auf jeden Fall will die Politik evaluieren, ob das BRSG sich als Erfolgsmodell oder Flop erwiesen hat. Für Kapschack wäre auch ein Obligatorium beim BRSG denkbar gewesen.

 

 

Matching anbieten müssen

 

… Markus Kurth …

Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, kritisierte, dass „besonders in kleineren und mittleren Unternehmen Betriebsrenten heute zu selten vorhanden sind.“ Seine Abhilfe: „Eine wirkliche Verbreitung der bAV kann nur über eine gesetzliche Angebotspflicht für Arbeitgeber gelingen. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber einen Eigenbeitrag in die Betriebsrente einbringen, damit diese ihren Namen verdient.“

 

… Johannes Vogel …

Der FDP-Politiker Johannes Vogel bemängelte, dass das BRSG exklusiv auf die Tarifpartner und nicht breiter aufgestellt sei. Grundsätzlich weiter ablehnend bleibt Matthias W. Birkwald: „Die Zeitungslektüre der vergangenen Tage hat mich in meiner Skepsis gegenüber der Zielrente bestätigt. Die Versicherer preschen vor, die Fondsbranche ist optimistisch, aber die Gewerkschaften bleiben doch bis auf die IG Metall sehr zurückhaltend“, so der rentenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag. „Wenn auch Hans Ludwig Flecken vom BMAS schon vor einem Scheitern warnt und mit drastischen Zwangsmaßnahmen wie einer Deutschlandrente droht, lässt das durchaus aufhorchen,“ unterstrich Birkwald seine Kritik.

 

 

Doppelverbeitragung bleibt heiß

 

… und Matthias W. Birkwald auf der Handelsblatt-Tagung gestern in Berlin. Alle Fotos: Unger/Euroforum.

Kontroverse auch bei der Beitragspflicht. „Wer wirklich die Betriebsrenten stärken will, der soll endlich die doppelte Verbeitragung beenden“, so Birkwald kategorisch. Dass das Thema im endgültigen Koalitionsvertrag nicht mehr aufgegriffen und angegangen worden ist, sei Weiß zufolge dem Umstand geschuldet, dass man hier zukunftsgewandt Vorhaben vereinbart habe. Dem CDU-Abgeordneten zufolge muss man in der Frage der Doppelverbeitragung einerseits sehen, dass bei der Entgeltumwandlung die Arbeitgeber künftig 15 Prozent der eingesparten Sozialabgaben „zwingend“ in die bAV des Arbeitnehmers einzahlt, andererseits müsse man die Altfälle betrachten. Insofern sei eine Rückkehr zum alten System schon rein rechtlich nicht möglich. Sehr wohl könne er sich aber bei der Verbeitragung Freibeträge für kleine Betriebsrenten vorstellen, so Weiß weiter.

 

Auch Kapschack sieht hier Handlungsbedarf – zum einen, weil unter Betriebsrentnern ein Ungerechtigkeitsgefühl herrsche und es zum anderen eine negative psychologische Wirkung gebe. Die Stimmung sei gegen den Abschluss einer betrieblichen Altersversorgung umgeschlagen. Letztlich gehe es um viel Geld, sagte Kapschack, der aber zuversichtlich ist, dass es eine Lösung geben werde. In der Bundestagsdebatte hierzu Anfang Februar hatte er angeregt, dass Betriebsrentner nicht mehr den vollen Beitrag, sondern nur den Arbeitnehmeranteil verbeitragen müssen. Aber allein diese Regelung würde in der gesetzlichen Krankenversicherung zu Beitragsausfällen von jährlich etwa 2,6 Milliarden Euro führen, so Kapschack.

 

 

Haltelinien in der gesetzlichen Rentenversicherung geben Sicherheit

 

Für Professor Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik haben sich die Eckwerte zur demografischen Entwicklung trotz höherer Geburtenzahlen und eine deutlich über den Erwartungen des Statistischen Bundesamtes liegende Zuwanderung (ohne Flüchtlinge) nicht verändert. Die Hauptursache sieht der Wissenschaftler, wie er in seinem Vortag auf der Tagung erläuterte, in der weiter steigenden Lebenserwartung der Menschen bei besserer Gesundheit. Von daher seien auch die Haltelinien in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu halten, es sei denn der Staat wolle jeden Prozentpunkt Haltelinie jährlich sechs Milliarden Euro ausgeben. Börsch-Supan plädierte dafür ab 2030 über eine neue Regelaltersgrenze nachzudenken, die die Relation von längere Lebenszeit zur Rentenbezugszeit festsetzt.

 

Für die Linke bekräftigte Birkwald erneut, dass an einer Stärkung der ersten Säule nach österreichischem Vorbild kein Weg vorbei führe. Für Kurth „ist und bleibt die gesetzliche Rente das Fundament der Alterssicherung. Wir Grünen wollen ihre Finanzierung sichern, etwa indem wir versicherungsfremde Leistungen über Steuern finanzieren.“ Die neue Koalition will Haltelinien beim Rentenniveau von 48 Prozent und beim Betragssatz von 22 Prozent bis 2025 festschreiben, so Kapschack. Die sei dann keine Prognose, sondern eine gesetzliche Garantie, und außerdem „habe ich kein Interesse daran, dass die AfD von Rentenängsten profitiert.“ Antworten konnte die Partei darauf nicht, da deren zu der Tagung eingeladener Vorsitzender Jörg Meuthen kurzfristig verhindert war.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.