Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

 

Jeden Freitag bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Alle Dinge sind relativ.

 

 

 

SWR (2. März): „Auflösung des Pensionsfonds möglich.“

 

In Sachen Causa Pensionsfonds Rheinland-Pfalz sei betont, dass die hier nun ins Spiel gebrachte Auflösung des Fonds, so sie den käme, am ökonomischen Funding Status des Landes gar nichts ändern würde. Denn wenn ein Land die Beamtenpensionen, die es ohnehin zu zahlen hat, mit eigenen Schulden „ausfinanziert“, ist das nicht mehr als eine völlige Luftnummer. Gut kommunizieren in der breiten Öffentlichkeit lässt sich natürlich gleichwohl, dass man über einen großen Pensionsfonds verfüge, dass man Vorsorge treffe und dass man ein bedeutender institutioneller Investor mit professionellem Asset Management sei (Japan und Thüringen sind in der Vergangenheit übrigens ähnlich vorgegangen). Faktisch unterhält man nur einen Verschiebebahnhof für seine ausufernden expliziten und impliziten Staatsschulden.

 

Und bei Rheinland-Pfalz ist eben dies nach wie vor der Fall. Erst jüngst hat das Finanzministerium des Landes gegenüber LEITERbAV bestätigt, dass

 

der Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz (Pensionsfonds) die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu marktüblichen Konditionen im Wesentlichen in Landesschuldscheindarlehen anlegt. Daneben hat der Fonds zwei vom Land verbürgte Forderungen, in geringem Umfang Schuldscheindarlehen an andere öffentlich-rechtliche Emittenten sowie einen relativ geringen Bargeldbestand.“

 

Oder anders ausgedrückt: Gar kein Funding ist auch ein Funding.

 

 

 

Focus.de (22. Februar): „Preisabsturz um fast 50 Prozent droht! 30 Städte, in denen Immobilien zu teuer sind.“

 

Die in dem Artikel bezüglich des Immobilienmarktes geäußerten Bedenken mögen ja alle richtig sein, erst recht im Falle einer Zinswende, und eine Kristallkugel hat ohnehin niemand. Doch sei ergänzt, dass alle Dinge relativ sind. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von Miete zu Kaufpreis, dessen Entwicklung in dem Artikel kritisch beäugt wird. Relativ ist auch die Immobilienrendite im Vergleich zu anderen Asset-Klassen. Wenn eine deutsche Staatsanleihe von einem Multiplikator von 25 noch vor ein paar Jahren auf heute 100 oder mehr gelaufen ist, dann ist ein Multiplikator bei Immobilien, der von 17 auf 25 oder 30 gestiegen ist, immer noch verhältnismäßig günstig. Das sollte man bei der Betrachtung zumindest nicht ausblenden.

 

 

 

Bild (23. Februar): „Umfrage zu Griechenland – Mehrheit der Deutschen gegen Schuldenschnitt.“

 

Das ist schön, dass die Mehrheit der Deutschen gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland ist. Es sei daran erinnert, dass Griechenland schon 2012 zwei Schuldenschnitte – einen direkten und einen verdeckten – vorgenommen hat (wie die Frankfurter Allgemeine hier Anfang 2015 dokumentiert hat). Auch der ein oder andere deutsche Pensionsinvestor ist hier bekanntlich seinerzeit zum Friseur geschickt worden.

 

Ergänzt sei, dass das Land auch bei der Finanzierung seiner Volkswirtschaft via Target-2-Salden als auch bei dem Ich-drucke-mir-meine-Euros-einfach-selbst-Abkommen namens ANFA ganz vorne mit dabei ist, seine Schuldenlast also zu Lasten der Gesamtheit auch über diese „frisiert“.

 

 

 

Tagessschau.de (1. März): „Bilanz für Februar – Höchste Inflationsrate seit Jahren.“

 

So, nun also 2,2 Prozent. Langsam muss sich Mario Draghi argumentativ etwas neues einfallen lassen. Erst jüngst ist an dieser Stelle kritisiert worden, dass der Italiener „seit Amtsantritt ständig neue Gründe hatte und weiterhin hat, um die Geldpressen auf Hochtouren laufen lassen. Dabei war ihm nicht nur keine Maßnahme zu monströs, sondern auch kein Argument zu realitätsfern und von zu geringer Halbwertszeit: Erst waren es angeblich zu hohe Zinsen der Krisenländer, die längst wieder pervers niedrig sind; dann war es die angeblich zu stockende Kreditvergabe; schließlich die Chimäre der Deflation.“

 

Seinerzeit hatte Die Welt Draghi vorgeworfen, dass er nun, wo die Inflation auftauche, erneut mit abwegigen Auslegungen Zinserhöhungen ablehnt. Mal sehen also, wie er jetzt auf die gemeldeten 2,2 Prozent in Deutschland reagiert. Wahrscheinlich wie altbewährt: fadenscheinig.

 

 

 

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

 

 

FAZ (20. Februar): „Zum Tode von Hans D. Barbier – Der ordnungspolitische Prüfstein.“

 

An Hans D. Barbier dürften sich nur wenige erinnern. Man muss schon regelmäßiger FAZ-Leser und auch schon etwas älter sein, um ihn zu noch kennen. Der Ordnungspolitiker und Liberale verabschiedet sich zu einer Zeit, in der in Deutschland und Europa seine Ideale wohl so klein geschrieben werden wie seit 1945 nicht.

 

„Ein Plädoyer für Freiheit scheint heute fast aus der Zeit gefallen“ schreibt der Autor des Nachrufs, FAZ-Herausgeber Holger Steltzner. Das trifft es.

 

 

 

n-tv.de (2. März): „Banken zahlen 321 Milliarden Dollar Strafen.“

 

321 Milliarden, das kein Pappenstiel – zeigt aber auch, welche Summen in diesen Sparten verdient worden sein müssen.

 

Auch wenn der Artikel es nur andeutet, aber keine Details nennt, weiß doch jeder halbwegs aufmerksame Beobachter, dass der weitaus größte Teil dieser Bußgelder nicht in europäische, schon gar nicht in deutsche Steuersäckel geflossen ist, sondern von US-Treasury vereinnahmt wurde. Wille, Härte, Kompetenz, Ehrgeiz, politische Rückendeckung et cetera: Deutschen und europäischen Behörden scheint es an allem zu mangeln, um hier die Schlagkraft ihrer nordamerikanischen Kollegen zu erreichen. Insofern ist die Angelegenheit auch ein Indiz für die These von einer mangelhaften Qualität der Governance in vielen Politikfeldern, die Deutschland und Europa im frühen 21. Jahrhundert kennzeichnet.

 

Unter Donald Trump ist bereits erkennbar, dass die unbekümmerte und unkomplizierte Durchsetzungsfähigkeit der US-Behörden gegenüber der Geht-leider-nicht-Mentalität der europäischen weiter auseinanderlaufen dürfte.

 

Dies illustriert auch zumindest der Status quo einer Industrieaffäre außerhalb der Bankenbranche, nämlich der VW-Affäre: Von einem halbstaatlichen deutschen Unternehmen zu verantworten, sind – Stand heute – Aufdeckung, Ermittlung, buß- und strafrechtliche Sanktionierung des Betrugs sowie Entschädigung der Kunden fast ausschließlich Sache und Verdienst von US-Behörden. Anteil deutscher Stellen bislang: nur homöopathisch messbar.

 

 

 

Bild.de (2. März): „Justiz-Versagen kostet fünf Menschen das Leben.“

 

Wenn Kassandra regelmäßig die nicht mehr standesgemäße Qualität der staatlichen Governance in der Altersvorsorge und in Nachbardisziplinen wie in der Finanzdienstleistung bemängelt (siehe vorherige Meldung), versäumt sie niemals zu betonen, dass dies auch für andere Politikfelder in der Bundesrepublik Deutschland von heute gelte (also quasi „off topic bAV“).

 

Es ist hier an der Bild-Zeitung, diese Kassandrische Hypothese mit einem wütenden Artikel über aktuelle Vorkommnisse auf dem Politikfeld der inneren Sicherheit zu stützen.

 

Kassandra bei der Arbeit.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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