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Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

 

Jeden Freitag bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Der Zins am langen Ende.

 

FAZ (26. November): „Politische Unsicherheiten – Nervosität an den Anleihemärkten.“

 

Die Frankfurter Allgemeine beschäftigt sich mit den steigenden Anleihenrenditen, die seit dem Sommer, verstärkt seit dem Wahlsieg Donald Trumps, in den USA in der ganzen westlichen (und in der Folge zwangsläufig auch bei EM-Debt) zu beobachten sind. Die Überlegung der FAZ hierzu ist, dass die kommende US-Wirtschafts- und Fiskal- und Finanzpolitik expansiv sein könnte, denn:

 

Vor allem die Kombination aus Schuldenfinanzierung und Steuersenkungen könnte Politikern attraktiv erscheinen, um möglichst schnell Menschen zu erreichen, die sich wirtschaftlich benachteiligt fühlen.“

 

In der Folge stiege möglicherweise – wobei vieles unklar sei – der Realzins (da fast Vollbeschäftigung in den USA), möglicherweise auch die Inflationsrate. Doch die intellektuelle Untermauerung findet sich am Ende der Artikels – mit einer Art fundamentalem Blick auf die Dinge, den die FAZ regelmäßig nimmt, wenn sie Geldpolitik in Theorie und Praxis diskutiert:

 

Natürlich nimmt die Geldpolitik Einfluss auf die Anleiherenditen, aber gerade langfristige Renditen werden, wie in diesen Wochen ersichtlich, auch von anderen wirtschaftlichen Größen wie dem Spar- und Investitionsverhalten sowie der Risikoneigung der Anleger beeinflusst.“

 

Hier widerspricht Kassandra. Spar- und Investitionsverhalten sowie die Risikoneigung der Anleger beeinflussen am langen Ende? Nur marginal und nur mittelbar. Richtig ist zwar, dass der Markt stärker ist als alle und deshalb am langen Ende der Zins auf das Verhalten der Markteilnehmer zurückgeht, eigentlich.

 

Eigentlich – das heißt in normalen Zeiten. Doch die Zeiten sind nicht normal, und die Investoren tun auch am lagen Ende nur das, was sie müssen respektive können (um Details zu erfahren reicht es, sich mit ein paar Kapitalanlagevorständen auf unserem Parkett zu unterhalten).

 

Denn die massiven Maßnahmen der EZB und analog weiterer Notenbanken – genannt seien Null Prozent Hauptrefinanzierungssatz und negative Einlagenfazilität, 1-Billionen-Bazooka, 80 Milliarden QE-Käufe von Govies und Corporates pro Monat, 500-Milliarden-schwere ANFA-Aufkäufe, Käufe auf Primärmärkten, ETF-Käufe – engen die Handlungsspielräume der Investoren in einer zwingenden Art und Weise ein, dass sie auch am langen Ende nicht mehr sind als die faktischen Erfüllungsgehilfen des Willens der Notenbanken.

 

Man könnte dabei übrigens gleichwohl die These vertreten, dass zumindest am langen Ende der Zins sehr wohl ausschließlich von den Markteilnehmern bestimmt wird – nämlich dann, wenn man die EZB nicht nur als Emittent des Zentralbankgeldes begreift, sondern als Marktteilnehmer. Genau das ist sie ja zweifelsohne mehr denn je, sei aus auf Primär- oder auf Sekundärmärkten. Die EZB und die anderen westlichen Notenbanken (vor allem die BoJ) sind längt in erster Linie nicht mehr Notenbanken, sondern am Markt agierende Akteure, und zwar die Akteure mit den tiefsten aller denkbaren Taschen. Sieht man es so, dann ist es in der Tat der Markt, der den Zins macht. Doch eine solche Sichtweise ändert nichts an den zugrundliegenden Mechanismen, sondern verdeckt sie nur in fast tautologischer Form.

 

Für die USA lautet die Hypothese Kassandras: Die Zinsen werden auch am langen Ende nur dann nachhaltig steigen, wenn die FED sich entscheidet, aus dem Krisenmodus auszusteigen (was aber abgesehen von der vermutlichen Zinserhöhung im Dezember angesichts der präsidentiellen Wünsche nach einem Deficit Spending unwahrscheinlich erscheint, eben weil auch Trump seine Wahlversprechen mit billigem Geld einlösen will und sicher wenig Lust verspürt, ausgerechnet der Präsident zu werden, der die realwirtschaftlich harte Rosskur des Entzug von dem billigen Geld durchführt).

 

Und in Europa warte man nur mal das Wahlverhalten der Österreicher und vor allem der Italiener am kommenden Sonntag ab. Wenns schiefgeht, und vermutlich wird es schiefgehen (aus Sicht des Establishments), nimmt die Unsicherheit an der europäischen Peripherie (aber nicht nur dort) weiter zu, die Spreads laufen weiter auseinander, und der Italiener Mario Draghi wird dann möglicherweise noch mehr Geld in die Hand nehmen als bisher. Und was machen die Renditen italienischer Langläufer und zehnjähriger Bunds dann? Das, was sie seit Jahren am besten können: fallen.

 

Kassandra bei der Arbeit.
Kassandra bei der Arbeit.

 

 

 

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