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Umfrage zum Sozialpartnermodell (III):

„Der Wettbewerb schreckt uns seit 16 Jahren nicht“

Die Installation von Sozialpartnermodellen läuft nur über entsprechende Tarifverträge. Doch die gibt es bislang nicht. Dennoch arbeiten die Akteure an ersten Ideen zur Umsetzung des SPM. LEITERbAV befragte dazu die relevanten unter ihnen. LbAV-Autor Detlef Pohl berichtet in Teil III der Auswertung von den Plänen ausgewählter tarifvertraglich orientierter Versorgungswerke.

 

In Teil I der Auswertung hatten LEITERbAV bereits von Reaktionen durch Arbeitgeber und Gewerkschaften berichtet. In Teil II der Auswertung ging es um erste Ideen ausgewählter EbAV.

 

Heute schließlich die Auswertung der Versorgungswerke. Sieben wichtige tarifpartnerschaftlich organisierte bzw. orientierte Versorgungswerke waren angefragt worden, vier waren bereit, Auskunft zu geben: BVV, Klinikrente, Metallrente sowie das Versorgungswerk der Presse. Trotz lediglich vier einfacher Fragen taten sich die Experten mit den Antworten schwer. Kein Wunder: Denn erst wenn sich die Tarifpartner einer Branche grundsätzlich auf ein SPM einigen, können die Versorgungswerke an auch die praktische Umsetzung gehen. Dennoch gibt es schon interessante Denkansätze wichtiger Marktteilnehmer, die zeigen, in welche Richtung sich der bAV-Markt nach dem Start des BRSG bewegen könnte – obwohl auch bei ihnen natürlich noch längst nicht alle Detailfragen gelöst sind.

 

 

Was LEITERbAV wissen wollte

 

Im Mittelpunkt des kurzen LbAV-Fragebogens standen bei den tariflich engagierten Versorgungswerken diese Punkte:

 

  • Vorausgesetzt, Ihre Tarifparteien engagieren sich in dem SPM, werden Sie hier als EbAV zur Verfügung stehen?

  • Bietet nun nicht eher die „alte“ bAV-Welt mit ihren neuen Fördertatbeständen, einschließlich Riester, neues Geschäftspotential?

  • Werden Sie, sei es „alte“ oder „neue“ bAV-Welt, unter verschärften Wettbewerbsdruck geraten?

  • Wollen Sie einen weiteren Kommentar zu der Materie abgeben?

 

Drei Versorgungswerke blieben ihre Antworten schuldig: Dehoga sieht sich eher als Tarifpartner. Chemie-Pensionsfonds und Soka-Bau schwiegen komplett.

 

 

Klinik-Rente: Offen für neue Modelle und ein erster neuer Tarif

 

Friedhelm Gieseler, Foto: Klinikrente.

Vorausgesetzt, die Tarifparteien in der Gesundheitswirtschaft engagieren sich im SPM, dann werde das Versorgungswerk Klinik-Rente zur Verfügung stehen, erklärt deren Geschäftsführer Friedhelm Gieseler. Für ihn biete jedoch eher die „alte“ bAV-Welt mit ihren neuen Fördertatbeständen „erhebliches Geschäftspotenzial“, insbesondere durch die verbesserte Riester-Förderung. Und gerade der Bereich der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen mit rund 60 Prozent Teilzeitkräften sei prädestiniert für die neue Förderung nach § 100 EStG. „Deshalb bietet Klinik-Rente schon seit Januar einen Tarif, der die Voraussetzungen für die Förderung exakt erfüllt“, so Gieseler.

 

Einen verschärften Wettbewerbsdruck für die Klinik-Rente erwartet Gieseler durch das BRSG jedoch nicht. Das liege aber vor allem an der eigenen Zielgruppe, den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. „In diesem Umfeld leben wir seit Jahr und Tag mit den öffentlichen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen“, erklärt Gieseler. Diese Zusatzversorgungskassen seien von ihrer Natur her „nichts anderes als die neuen Sozialpartnermodelle“.

 

Zudem würde beiden nur der steuerliche Spielraum des § 3 Nr. 63 EStG zu Verfügung stehen. Diese begrenzten steuerlichen Möglichkeiten müssten sich dann die Zusatzversorgungskassen auch noch mit dem neuen SPM teilen. Dabei reichten schon vor Geltung des BRSG die steuer- und sozialabgabenfreien Spielräume des 3.63 wegen steigender Beiträge für immer mehr Arbeitnehmer und erst recht für Führungskräfte und Ärzte nicht aus. „Klinik-Rente bietet in diesem Umfeld die kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse, die eine Entgeltumwandlung für alle Berufsgruppen bietet und an keiner Stelle die etablierten Zusatzversorgungskassen ZVK/VBL oder das neue SPM stört“, beschreibt Gieseler den konkurrenzlosen Ausweg.

 

Immer mehr Krankenhäuser installierten neben die ZVK/VBL (Pflichtversicherung) für die Entgeltumwandlung die U-Kassen-Lösung. Dadurch stehe die Förderung des 3.63 vollständig für die Pflichtversicherung zur Verfügung. Mit der U-Kasse gewönnen diese Häuser für die Entgeltumwandlung einen unbegrenzten steuerfreien Spielraum und zusätzlich noch einmal 4 Prozent Sozialabgabefreiheit dazu, betont die Klinik-Rente.

 

Übrigens: Für das derzeit größte Problem der Entgeltumwandlung hält Gieseler die faktisch nicht mögliche Portabilität. Sein tarifliches Branchen-Versorgungswerk löse zwischen den mehr als 3.300 Mitgliedseinrichtungen dieses Problem mittels einfacher Administration durch Ab- und Anmeldungen. Neue Kosten oder Versorgungsverluste für Arbeitnehmer gebe es durch die weit verbreiteten U-Kasse nicht. „Auch deshalb sehen wir hier keinen qualifizierten Wettbewerb“, so der Geschäftsführer. „Die Regelungen des BRSG bieten großes Marktpotenzial gerade bei Unternehmen ohne ZVK/VBL“, lautet sein Fazit

 

 

Metall-Rente: Eingebunden in Vorbereitung eines SPM für Metall/Elektro

 

Heribert Karch, MetallRente und aba.

Das tariflich organisierte Versorgungswerk MetallRente bereitet sich bereits seit langem auf eine Umsetzung des BRSG in allen denkbaren Formen vor. „Ein EbAV-Modell hat dabei unsere ganz besondere Aufmerksamkeit“, sagt Geschäftsführer Heribert Karch, in Personalunion Vorstandschef der aba. Auf die Frage, ob nicht eher die „alte“ bAV-Welt neues Geschäftspotenzial biete, antwortete Karch eher global, indem er die in beiden Welten verbesserte Förderung niedriger Einkommen, vor allem die Riester-Förderung, als vorteilhaft hervorhob, auch wenn sie „gleichzeitig eine weitgehend neue Administrationslast für Arbeitgeber bringt“. Allein die Günstigkeitsvergleiche würden schon komplex genug, aber damit sei es bei weitem nicht getan. „Ein Zielrentenmodell könnte eine aussichtsreiche Option für alle Beteiligten sein“, glaubt Karch.

 

Verschärften Wettbewerbsdruck durch das SPM fürchtet auch die Metall-Rente offenbar nicht. „Die Tarifparteien dürfen zwar mit teilweise exklusiver Rechtssetzungsbefugnis den Wettbewerb erheblich befördern, Wettbewerb hat uns aber 16 Jahre lang nicht geschreckt.“ Dei MetallRente sei einer der größten Wachstumsträger der gesamten bAV-Entwicklung. „Jetzt werden wir uns ganz besonders anstrengen, um die bAV in der Breite und Höhe zu entwickeln, damit sie maßgeblicher Teil eines nachhaltig aufgestellten Rentensystems in Deutschland werden kann“, ist Karch gewohnt optimistisch.

 

Die neuen Konzeptionen müssen jedoch die gesamte Wertschöpfungskette umfassen, als das seien Kapitalanlage, Risikomanagement, alles Aktuarielle, Verwaltung und in weiten Teilen auch Beratung, je nach Modell auch beratungsnaher Vertrieb, weiß Karch aus Erfahrung. Auch die gesamte Kommunikation einer neuen Versorgungskultur sei ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette. „Alles wird von Digitalisierung geprägt sein, aber noch ist niemand mit seinen Angeboten fertig“, so Karch. Man brauche noch Zeit, werde aber keinesfalls zu spät kommen, um nicht vom Leben bestraft zu werden.

 

In diesen Zusammenhang passt die Meldung, dass die MetallRente nach dem kürzlichen Abschluss eines Tarifabschlusses in Baden-Württemberg ohne bAV-Ergebnis nun in der Tarifrunde 2020 an einer möglichen Umsetzung des SPM mitarbeiten wolle.

 

Karch schlug in diesem Zusammenhang vor, die Wertschöpfungskette aufzuspalten, also zum Beispiel separat Aufträge für Administration, Kapitalanlage und Aktuariat zu vergeben. Gleichzeitig sieht er für kleinere Tarifvertragsparteien die Chance im Pooling, um Skaleneffekte zu nutzen.

 

 

BVV: Verschiedene Varianten in der Pipeline

 

Helmut Aden, Vorstand BVV.

Der BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. gehört zu den EbAV und organisiert zugleich seit Jahren tarifpartnerschaftliche Lösungen im Bankgewerbe. „Vorausgesetzt, unsere Tarifparteien engagieren sich in dem SPM, werden wir als EbAV zur Verfügung stehen“, betont Helmut Aden Mitglied, des Vorstandes. Ob die alte oder neue bAV-Welt mehr Potenzial biete, darauf wollte sich der BVV nicht festlegen. „Neben dem SPM gebe es Änderungen, die den bAV-Rahmen allgemein verbessern. „Letztlich entscheiden die Tarifpartner, wie erfolgreich das eigentliche SPM sein wird“, gab sich Aden salomonisch. Ob der BVV dabei unter verschärften Wettbewerbsdruck geraten könnte, beantwortete die größte Pensionskasse Deutschlands mit dem Hinweis, dass Wettbewerb das Geschäft belebe.

 

Das SPM werde – sofern erfolgreich – wahrscheinlich zu einer Konsolidierung der Branche führen. Zusätzlich hätten auch die Lebensversicherer die bAV als Geschäftsfeld wiederentdeckt. Ohne zusätzliche Mittel, die in die bAV fließen, wird es keine zusätzliche Altersversorgung geben, so eine versteckte Kritik des BVV am nur schwach erhöhten Förderrahmen.

 

Der Fiskus habe zu dieser Reform nicht viel dazugegeben, so dass die Kosten für zusätzliche Altersversorgung letztlich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern übernommen werden müssten. Ob die Bereitschaft, diese Kosten tatsächlich zu tragen, durch die Reform gestiegen ist, sei fraglich. Immerhin hatte der BVV bereits auf seiner Mitgliederversammlung im Juli 2017 angekündigt, sein Versorgungsangebot um die reine Beitragszusage zu erweitern.

 

Auf Nachfrage von LEITERbAV präzisierte der BVV Mitte Januar: „In unserem potenziellen Kundenkreis stehen derzeit keine Tarifverhandlungen an. Wir werden Produkte der rBZ in verschiedenen Varianten anbieten, aber die genaue Ausgestaltung der Produktvarianten – insbesondere hinsichtlich des Chance-/Risikoprofils – wird sich an den speziellen Anforderungen der Tarifpartner orientieren.“ Man werde die Produkte zunächst nur in diesem Kreis diskutieren. Mitte des vergangenen Jahres hatte der BVV-Kapitalanlagevorstand Rainer Jakubowski erläutert, bei der rBZ die Gewichte in der Kapitalanlage zu ändern, ohne aber dabei nun alles anders machen zu wollen.

 

 

Presseversorgungswerk: Gewehr bei Fuß

 

Manfred Hoffmann, Geschäftsführer der Versorgungswerk der Presse GmbH.

Auch das Versorgungswerk der Presse, das Journalisten tarifvertragliche Versorgungen organisiert, steht „auf jeden Fall“ für das SPM zur Verfügung, wenn die Tarifparteien es wünschen. „Als das erste von Sozialpartnern getragene Versorgungswerk auf tarifvertraglicher Basis in Deutschland sind wir dafür quasi prädestiniert“, erinnert Geschäftsführer Manfred Hoffmann. Doch durch die generell verbesserte Förderung böten nun die alte und neue bAV-Welt gleichermaßen Geschäftspotenzial.

 

Sicherlich seien die bestehenden Möglichkeiten an vielen Stellen gestärkt worden. „Ich halte die Formulierung ‚alte‘ und ‚neue‘ bAV aber für denkbar unglücklich“, so Hoffmann. Großes Potenzial habe beispielsweise die Kombination von Opting-out mit den bewährten Modellen der bAV. „Solche Ansätze, die Neues nutzen und auf Bewährtem aufbauen, werden schneller messbare Erfolge liefern, als es über einen kompletten Neubeginn mit der rBZ möglich sein wird“, prophezeit der Chef des Versorgungswerkes.

 

Von verschärftem Wettbewerbsdruck für das Presse-Versorgungswerk könne keine Rede sein. „Die Intention des BRSG ist eine stärkere Rolle der Sozialpartner“, so Hoffmann. Das stärke auch das Versorgungswerk der Presse, denn „alles, was wir anbieten, trägt das Gütesiegel der Sozialpartner“. Das schaffe Vertrauen. Man spüre schon jetzt eine verstärkte Nachfrage nach den hauseigenen bAV-Konzepten und sei zuversichtlich, die Spitzenposition in der Medienbranche weiter ausbauen zu können – unabhängig davon, wann in der Medienbranche erste Tarifverträge gemäß SPM umgesetzt werden.

 

 

Fazit

 

Die Umfrage von LEITERbAV kam auch für die tariflich orientierten Versorgungswerke recht früh, vielleicht zu früh. Vorerst sind die Akteure offenbar damit beschäftigt, die alte Welt der Garantiezusagen weiter zu bedienen und die Tarifwelt auf die verbesserte Förderung der „alten“ bAV-Welt einzustellen. Die neue Welt mit der neuen Zusage-Art kommt objektiv bei den nächsten Tarifverhandlungen der jeweiligen Branche zum Tragen – wenn überhaupt. Man wird sehen…

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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