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Endlich:

Das Kapitalanlagerundschreiben ist da!

Lang ersehnt von dem Parkett, das es nach Klarheit dürstete, hat die BaFin gestern das Kapitalanlagerundschreiben 11/2017 (VA) versendet. Neben Klarstellungen und Pragmatischem bringt das Schreiben aber auch Unerwartetes – und das ist nicht durchweg positiv, im Gegenteil.

 

Zum Jahresende geht es regulatorisch nochmal ordentlich rund in der deutschen bAV: Anfang der Woche legte das BMF sein jüngst erst per Entwurf vorbereitetes Schreiben zu Steuer- und Fachfragen rund um das BRSG vor (die LbAV-Berichterstattung hierzu folgt am Freitag). Mit den Ergebnissen des EbAV-Stresstests der EIOPA kann für heute Abend gerechnet werden (Berichterstattung folgt morgen).

 

Und gestern am späten Nachmittag hat die BaFin nun endlich ihr lang erwartetes Kapitalanlagerundschreiben 11/2017 (VA) vorgelegt, das in Gänze seines Vorspanns firmiert unter:

 

Hinweise zur Anlage des Sicherungsvermögens von Erstversicherungsunternehmen, auf welche die Vorschriften für kleine Versicherungsunternehmen (§§ 212 bis 217 VAG) Anwendung finden, sowie von inländischen Pensionskassen und Pensionsfonds.

 

Das Schreiben war lange überfällig. Christian Wolf, Leiter Kapitalanlagencontrolling beim BVV in Berlin, hatte dies schon auf der ersten aba-Aufsichtsrechtstagung Ende September in Mannheim bemängelt:

 

Christian Wolf, BVV.

Eigentlich sei ein neues Rundschreiben schon mit der Ablösung des Investmentgesetzes (InvG) durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) im Juli 2013 notwendig gewesen, spätestens seit der Verabschiedung der Anlageverordnung im März 2015 sei es allerdings überfällig, so Wolf seinerzeit.

 

 

 

 

 

Kritisch: der enge Wertpapierbegriff für Spezialfonds

 

Im Vergleich zum Konsultationsentwurf fällt zunächst auf auf, dass die Anstalt den Wertpapierbegriff auf UCITS-konforme Wertpapiere beschränkt hat, und diese ohne jede Übergangsfrist. Diese Verwaltungspraxis der BaFin findet also unmittelbare Anwendung.

 

Marco Simonis, Clifford Chance.

Wie Marco Simonis, Rechtsanwalt und Steuerberater, Partner der Rechtsanwaltssozietät Clifford Chance in Frankfurt, gegenüber LEITERbAV erläutert, haben sich vor dem Hintergrund der zum 1. Januar 2018 in Kraft tretenden Investmentsteuerreform einige Altersversorgungseinrichtungen für eine steuerliche Ausgestaltung deutscher Spezialfonds als sogenannte „Kapitel 2-Investmentfonds“ entschieden. In diesem Rahmen können sie – wie bisher – steuerlich und investmentrechtlich in Wertpapiere gemäß dem weiten investmentrechtlichen Wertpapierbegriff gemäß § 284 Abs. 2 Nr. 2a KAGB investieren.

 

Eben das dürfte nun unschöne Konsequenzen haben, Simonis: „Erfolgt nun eine Beschränkung in dem Rundschreiben auf Wertpapiere, die dem engen OGAW-Wertpapierbegriff entsprechen, so wären Spezialfonds mit Anlagen in sonstige Wertpapiere nicht mehr versicherungsaufsichtsrechtlich transparent, sondern ingesamt auf die AIF-Quote nach Nr. 17 anzurechnen.“ Eben diese umfasst aber nur 7,5 Prozent des Sicherungsvermögens, damit wird also die Anlageflexibilität erheblich eingeschränkt, so Simonis weiter.

 

Irritiert von der Regelung zeigt sich auch Wolf vom BVV. „Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen nach 284 KAGB sind DAS Anlagevehikel für Versicherungen und EbAV in Deutschland schlechthin!“ Wolf erinnert daran, dass im Rahmen der Überarbeitung der Anlageverordnung im Jahr 2015, in Folge der Ablösung des InvG durch das KAGB, schon einmal das Überleben der deutschen Spezial-AIF als Anlagevehikel auf der Kippe stand. Damals wurde nach langen Abstimmungsprozessen zwischen Verbänden, BMF und BaFin der Spezial-AIF nach § 284 KAGB in Nr. 16 eingruppiert. Und jetzt? „Diese Lösung und damit der Fortbestand des Anlagevehikels wird durch das neue Rundschreiben in Frage gestellt. Die Frage ist, warum?“

 

 

Pragmatisch: die neue Bail-in-Regelung

 

Positiv vermerkt Wolf, dass der Grundsatz der Sicherheit um eine spezielle Regelung für sogenannte bail-in-fähigen Bankschuldtiteln erweitert wurde, um die Auswirkungen des Abwicklungsmechanismus-Gesetzes zu berücksichtigen. Dieser Punkt war von der Branche erwartet worden.

 

Wie Wolf erläutert, wurde entgegen der im BaFin-Journal 5/2017 angekündigten pauschalen Eingruppierung solcher Papiere nach § 2 (1) Nr. 9 AnlV (Nachrang) – mit entsprechend negativen Konsequenzen für die Mischungsquoten – von der BaFin nun in dem Rundschreiben eine sehr pragmatische Regelung geschaffen: „Nunmehr gibt es für die betroffenen Schuldtitel eine eigene Quote von 25 Prozent sowie eine Bestandsschutzregel für vor dem 1. Januar 2017 erworbene Titel.“

 

Andreas Kopfmueller, Mercer.

Zu diesen Titeln zählen laut Andreas Kopfmüller, Leiter Regulierte Investoren bei Mercer, vor allem nicht strukturierte Inhaberschuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen, die derzeit noch in großem Umfang in den Beständen der Pensionskassen zu finden sind. Die neue Quote dürfte für Neuanlagen im festverzinslichen Bereich eine große Rolle spielen, erwartet Kopfmüller.

 

 

 

 

Positiv: Erleichterungen für OGAW-DFund PE-Fonds

 

Bei Mercer sieht man Weiteres auf der Haben-Seite des Rundschreibens:

 

  • die Klarstellung, dass ein OGAW nach AnlV § 2 Abs. 1 Nr. 15 auch in geringerem Umfang nicht-transparente Fonds nach AnlV § 2 Abs. 1 Nr. 17 halten darf, die dann gesamthaft (keine Durchschau!) in die Quote für sonstige AIF (7,5 Prozent) fallen. Kopfmüller erklärt: „Dies ist eine Erleichterung für OGAW-Dachfonds, vor allem im Bereich der liquiden Alternatives.“

  • – die Ergänzung, dass ein Spezial-AIF nach AnlV § 2 Abs. 1 Nr. 16 auch Private Equity Fonds nach AnlV § 2 Abs. 1 Nr. 13b halten darf. Dies erleichtert die Bündelung der Investments in einem Masterfonds. Der Anteil von Private Equity Fonds ist jedoch auf 20 Prozent des Gesamtinvestments im Spezial-AIF beschränkt, so dass je nach Anteil des Spezial-AIF am Gesamtvermögen die zulässige Quote von 15 Prozent in der Nr. 13 nicht ausgeschöpft werden kann.

  • Außerdem hat die Anstalt im Unterschied zum Entwurf die Begrenzung der Fremdkapitalaufnahme eines Private Equity Fonds von zehn Prozent gestrichen. Lediglich bei PE-Dachfonds gilt eine Fremdkapitalgrenze von zehn Prozent auf Ebene des Dachfonds. Kopfmüller begrüßt das: „Dies bildet eine Erleichterung gegenüber dem letzten Konsultationsentwurf und dürfte dazu führen, dass ein Großteil der marktüblichen PE Fonds erwerbbar ist.“ Auch Simonis betont den positiven Effekt dieser Regelung.

 

 

Zahlreich: weitere Abweichungen vom Entwurf

 

Simonis weist darüber hinaus auf einige wesentliche Änderungen gegenüber dem Konsultationsentwurf hin:

 

  • Möglichkeit der Bonitätsprüfung von Schuldnern durch „gleichwertige eigene Beurteilung“ alternativ zum Kreditleitfaden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4a AnlV).

  • Zulässigkeit des Eilverkaufs von Grundstücken mit nachträglicher schriftlicher Zustimmung des Treuhänders (§ 2 Abs. 1 Nr. 14a AnlV).

  • Klarstellung bezüglich der Zulässigkeit der Anlage in Bewirtschaftungsgegenstände bei Immobilienfonds (§ 2 Abs. 1 Nr. 14c AnlV).

  • Klarstellung der Unschädlichkeit der Aussetzung von Rücknahmen bei offenen Fonds bei außergewöhnlichen Umständen (§e Abs. 1 Nr. 15 bis 17 AnlV).

  • Vermeidung einer vollständigen Infektion des investierenden offenen (Dach)fonds bei geringfügiger teilweiser Intransparenz von Zielfonds (§ 2 Abs. 1 Nr. 15 AnlV).

  • Klarstellung der Anlagemöglichkeit in geschlossene Private-Equity-Zielfonds im Rahmen der 20-Prozent-Grenze für nicht-börsennotierte Unternehmensbeteiligungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 16 AnlV).

  • – „Interessewahrende“ (statt bisher „unverzügliche“) Entnahme aus dem Sicherungsvermögen bei nachträglichem Wegfall der Sicherungsvermögensfähigkeit.

     

Daneben betont Simonis, dass die im Konsultationsentwurf schon enthaltenen Beschränkungen der Anlage von Masterfonds in Immobilien und offene Zielfonds nach Nr. 17 auf jeweils 49 Prozent des Vermögens bestehen bleibt.

 

Soweit im Rahmen der Konsultation angeregte Klarstellung nicht aufgenommen wurden, bleibe es letztlich bei der Notwendigkeit der Auslegung der bestehenden Regelungen, so Simonis weiter.

 

 

Unchristlich: Viele Wünsche nicht erfüllt

 

Kopfmüller sieht in dem Rundschreiben zahlreiche Änderungswünsche der Investoren nicht erfüllt, als da wären beispielsweise:

 

  • Es fehlt eine Klarstellung, nach welchen Kriterien Darlehensfonds (z.B. Private Debt Fonds) in die Private Equity Quote zählen bzw. wann sie in die Quote für sonstige AIF fallen.

  • Die Anforderung einer aktiven Kreditvergabe inklusive umfangreicher Due Diligence hätte klarer formuliert werden können. So bleibt im Bereich der Darlehensfonds ein gewisser Teil nicht investierbar, da der Erwerb in der sonstigen AIF-Quote lediglich für Investmentvermögen im EWR möglich sind, während Private Equity Fonds auch aus OECD Ländern erwerbbar sind.

  • Die Begrenzung auf ein Prozent auf Ebene von Zielfonds im Bereich der Private Equity Dachfonds wurde beibehalten. Diese Einschränkung könne erheblich sein, vor allem wenn es sich bei den Zielfonds um breit diversifizierte Fonds handelt, die in eine Vielzahl von Unternehmen investieren. Mit der Begrenzung schieße die BaFin deutlich über den eigentlichen Zweck der Ein-Prozent-Grenze (Beschränkung des Gewichts eines Unternehmens im Portfolio) hinaus.

  • Eine Klarstellung, wie Immobilien- und Infrastrukturfonds nach AnlV § 2 Abs. 1 Nr. 13b (Private Equity Fonds) klassifiziert werden können, unterblieb.

  • Für Pensionsfonds gelten zwar keine quotalen Anlagebeschränkungen, das heißt, eine Aktienquote von 100 Prozent ist theoretisch möglich, aber Investments in Anleihen mit Rating unterhalb B- sind nach Mercers Interpretation weiterhin ausgeschlossen. Dass der Kauf von Aktien eines Unternehmens unbeschränkt erlaubt ist, während Schuldtitel nur eingeschränkt investiert werden können, ist aus Mercers Sicht nicht nachvollziehbar.

     

Ernüchtertes Gesamtfazit von Mercer zu dem Rundschreiben: „Insgesamt gilt weiterhin, dass der Aufwand für die Einrichtungen deutlich steigen wird und noch detaillierte Prüfungen von Anlagen vor Investition erforderlich sind, insbesondere im Bereich der Alternatives, wo viele Detailfragen ungeklärt bleiben. Die Wünsche der Investoren im Rahmen der Konsultation wurden vor allem in Bezug auf alternative Anlagen nur wenig berücksichtigt.“

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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