Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Fachtagung der Pensions-Akademie:

„Da klingeln bei mir die Alarmglocken“

Junge Leute, das BRSG und die bAV: Hier gibt es offenbar noch viel zu tun, so der Tenor auf einer neulichen Fachtagung. Digitalisierung kann unterstützen. Auch Mittelstand und Politik bezogen klar Stellung zur gegenwärtigen bAV-Reform. Frank Vogel war dabei.

 

Frank Vogel, KAS Bank.

Bekanntlich sucht die Bundesregierung mit dem BRSG, das ab dem 1. Januar 2018 in Kraft treten wird, eine Stärkung der bAV in Deutschland zu erreichen. Die neuen gesetzlichen Regelungen sind ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung des deutschen Pensionswesens. Eine große Lücke besteht vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie bei jüngeren Beschäftigten, und genau diesem Bereich hat sich die jüngste Fachtagung der Pensions-Akademie am 14. September in Frankfurt am Main unter anderem gewidmet. Beide Zielgruppen kamen ausführlich zu Wort und hielten sich bei ihren Aussagen vor den Teilnehmern und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nicht zurück.

 

Intransparenz und Komplexität hemmen

 

So waren die Eingangsworte der Podiumsdiskussion, bestehend aus jungen Vertretern der IGBCE, IG Metall, JUSOS, Jungen Union, Jungen Liberalen und des Jungen Wirtschaftsrats, sehr deutlich: „Wir halten Eurer Industrie einen Spiegel vor, die Meinung, die wir hier gemeinsam vertreten, sollte Euch zum Denken anregen“ und „die Intransparenz und Komplexität in den Systemen der bAV führen bei jungen Arbeitnehmern zu einer sehr geringen Motivation, sich mit diesen Themen zu beschäftigen“, so die Jugendvertreter.

 

Ab drei Minuten wird es kritisch

Tagungsmoderator Jürgen Scharfenroth.

 

Überraschend war dann aber doch die Tiefe der Diskussion auf dem Podium, ein Zeugnis wie sehr das Thema bAV im Vorfeld schon durchleuchtet wurde. Fachzeitschriften wurden zitiert, in denen das BRSG angeführt wurde, um neue Vertriebschancen zu eröffnen. Ein Jugendvertreter merkte an: „Da klingeln bei mir die Alarmglocken, wenn ich an die Kosten denke“. Und eines wurde deutlich: Alles was länger als drei Minuten Erklärungsbedarf hat, ist den Vertretern der Jugend eher suspekt, da es doch Vertrieb und Beratung benötigt. Zusammenfassend für das Podium konnte sich keiner der Zuhörer davor verschließen, dass die Jugend von allen Beteiligten in der bAV mehr mit einbezogen werden sollte, um schon früh die Motivation zu fördern, an diese Systeme zu glauben und auch einzuzahlen.

 

Mittelstand: konkret statt virtuell

 

Ein Motivationsschub ist offenbar auch beim Mittelstand notwendig. „Hört nicht auf zu bohren und positioniert die bAV bei uns kleinen und mittelgroßen Unternehmen“, so ein Vertreter des Mittelstandes, „aber wir müssen etwas Konkretes zum Greifen haben und können mit virtuellen komplexen Ansätzen nichts anfangen“. So bezeichnete sich der Mittelstandvertreter als bodenständig und hatte große Vorbehalte gegen die aus seiner Sicht ebenfalls viel zu komplexe bAV-Welt geäußert.

 

Das Auditorium der Fachtagung mochte diese facettenreiche bAV-Welt verstehen. Aber man kann dem Mittelstandsvertreter nur zustimmen, dass die komplexen Zusammenhänge für die Zielgruppe nicht immer greifbar sind. Hinzu kommt, dass bei KMU nicht selten die Kapazitäten und die Zeit fehlen, sich umfassend mit bAV-Themen zu beschäftigen.

 

Kaum Wirkung“: Das Problem der Tarifbindung

 

Konsens bestand auf der Fachtagung dennoch, dass die deutsche bAV mit dem BRSG einen wichtigen Schritt vorangekommen ist. Dies wurde auch vom hessischen Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) bestätigt. Seiner Ansicht nach haben die Beschäftigten durch den Verzicht auf Garantien nun die Chance auf mehr Rendite, doch nahm er den Ball vom Mittelstand auf: „Wir sind noch lange nicht am Ziel. Gerade für die Beschäftigten in den kleinen, vielfach nicht tarifgebundenen Unternehmen wird das BRSG aufgrund der Anknüpfung an Tarifverträge kaum Wirkung entfalten.“ Auch hänge der Erfolg des Gesetzes nicht allein von monetären Faktoren ab, sondern es müsse unter anderem einfacher gestaltet werden.

 

Auf der Haben-Seite: Garantieverzicht

 

Die Tagungsteilnehmer aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft waren sich auch bei den Chancen einig: Der Verzicht auf Garantien, wie sie das neue Gesetz befiehlt, bietet die Chancen auf flexiblere Anlagemöglichkeiten und die Aussicht auf höhere Renditen. Allerdings bedeutet das auch, dass zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, um das Vertrauen in die bAV zu stärken. Neben erhöhten Governance-Anforderungen können wesentliche positive Impulse auch aus der Digitalisierung der bAV kommen. Diese Vernetzung der Beteiligten ist eine Grundvoraussetzung für einfachere und verständlichere Lösungen in der bAV sowie für mehr Transparenz.

 

Eine Digitalisierung in der bAV bedeutet offenbar noch großes Potenzial, könnte so doch die Akzeptanz und Verbreitung klar erhöht werden. Die Herausforderung besteht auch darin, für die entsprechende Zielgruppe die richtige digitale Ansprache zu finden.

 

Erst unsterblich, dann bAV

 

Ein Ergebnis der Tagung ist, dass dringender Handlungsbedarf in der Weiterentwicklung der deutschen bAV besteht. Dies verdeutlicht auch ein weiteres Zitat aus Reihen der jungen Teilnehmer: „Erst einmal gehe ich mit Mitte 20 davon aus, dass ich unsterblich bin, der Rest wird sich dann schon fügen“.

 

Eine Bildgalerie von der Tagung findet sich hier.

 

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Pensions-Akademie e.V. und Vorsitzender der Geschäftsleitung KAS BANK N.V. – German Branch.

 

Von ihm und anderen Autoren der der CACEIS bzw. KAS BANK erschienen zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV:

 

Die Nachbarn sind weiter – Administrations-Alpha durch Kostentransparenz bei der bAV

26. August 2015

 

Trends im niederländischen Pensionswesen als Impulsgeber: Was haben sie?

26. Januar 2016

 

Kollektiv, aber ohne Garantie

13. Oktober 2016

 

Da klingeln bei mir die Alarmglocken“

22. September 2017

 

Zum Glück keine Ruhe für die bAV

16. Februar 2018

 

Kostentransparenz als integraler Bestandteil der Governance – Was bringt sie wem?

11. April 2018

 

Zwischenbilanz und Ausblick: Wer wird wie vom BRSG profitieren?

4. Juli 2018

 

Im Spannungsfeld zwischen PEPP und Praxis

25. September 2018

 

Vor welchen Perspektiven steht die bAV?

26. März 2019

 

Diamond Star Award 4.0

20. Mai 2019

 

Das Index Custody – passives Investment, neu definiert

30. Juli 2019

 

Warum nicht einfach mal kurz Bilanz ziehen?

1. Juli 2020

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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