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Zukunftsmarkt Altersvorsorge 2018 (I):

BRSG – Wunsch und Wirklichkeit

Diese Woche diskutierten Fachleute in Berlin aktuelle Entwicklungen in der gesetzlichen, privaten und vor allem betrieblichen Altersversorgung. Auf dem Podium auch eine Runde mit Verbandsvertretern. Alle wollen Opting-out auf betrieblicher Ebene, fast alle.LbAV-Autor Detlef Pohl war dabei.

 

Vorgestern in Berlin, 19. MCC-Kongress Zukunftsmarkt Altersvorsorge: In der Podiumsdiskussion „BRSG – Wunsch und Wirklichkeit“ konfrontierte Moderator Prof. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research-Institute, die Verbände mit einigen der Kardinalfragen in Zusammenhang mit dem Sozialpartnermodell.

 

 

Assekuranz stellt sich auf

 

Peter Schwark, GDV…

Eine der Rürupschen Fragen betraf die nach der Rolle der Versicherer in der neuen bAV-Welt des Garantieverbotes. „Wir werden das SPM als Versicherer bespielen, mit zum Teil neuen Akteuren und Konsortien“, machte Peter Schwark, GDV-Geschäftsführer, den Schwenk nach der BRSG-Verabschiedung deutlich. Natürlich hätten die Lebensversicherer „stark mit dem Garantieverbot gefremdelt“, dies sei gerade bei Biometrieabsicherungen noch immer nicht nachvollziehbar. Doch die Branche offeriere längst modifizierte Garantien oder fondsgebundene Lösungen ohne Garantien, die vielfältige Möglichkeiten auch für die bAV in Form einer reinen Beitragszusage bieten. Arbeitnehmern sollte kommuniziert werden, wie sie Sicherheit auch ohne Garantien bekommen könnten – über angemessene Anlagekonzepte und kollektive Risikopuffer.

 

 

Tarifvertragsexklusivität beizeiten auf den Prüfstand stellen

 

Peter Maier, BVI…

Für Peter Maier, Leiter der Abteilung Steuern, Altersvorsorge und Statistik beim Fondsverband BVI, „erlaubt das Garantieverbot mehr Assets für mehr Rendite“. Gleichwohl sei der Tarifzwang für das SPM eher hinderlich, da ja gerade KMU und Geringverdiener in größerem Umfang als bislang einbezogen werden sollen. Da sollte nach gewisser Zeit der Erprobung das Gesetz überarbeitet werden – ohne Zwang zu Tarifverträgen, schlug Maier vor.

 

 

Beratungsbedarf nimmt nicht ab, Doppelverbeitragung nimmt zu

 

Thomas Jasper, Willis Towers Watson…

Thomas Jasper, Leiter Retirement Solutions bei Willis Towers Watson, sieht im Zusammenhang in der Diskussion um das BRSG durchaus einen Schub für die bAV. Jedoch: „Die Komplexität der neuen Regelungen reduziert den Beratungsbedarf allerdings nicht gerade“, so der Consultant.

 

Die zusätzliche steuerliche Förderung bis acht Prozent der BBG führe für große Teile der gesetzlichen krankenversicherten Berechtigten zu einer Doppelverbeitragung, kritisierte Jasper das Fehlen der sozialversicherungsrechtlichen Flankierung der Maßnahme.

 

Immerhin: Schon die adäquate steuerliche und SV-Förderung der bisherigen vier Prozent der BBG erbringe bei voller Nutzung im Rentenalter für den Durchschnittsverdiener zwischen 12 und 20 Prozent Replacement Rate. Das sei durchaus ein substantieller Beitrag zu einem adäquaten Alterseinkommen, so Jasper weiter.

 

 

Mehr Freiheit den Tarifparteien, und mehr Allgemeinverbindlichkeit

 

Alexander Gunkel, BDA…

Das Gesetz vermittelt neue Impulse, doch die Wirkungen kommen wohl erst ganz langsam“, so BDA-Hauptgeschäftsführer Alexander Gunkel. Eine massive Bremse sei der Tarifumfang für das SPM, aber auch die verpflichtende Beteiligung der Sozialpartner an der Steuerung des SPM. „Besser wäre gewesen, die jeweiligen Details den Tarifparteien zu überlassen“, sagt Gunkel. Die Erfahrung des Versorgungswerkes Metallrente zeige im Übrigen, wie man auch Nicht-Tarifgebundene einbeziehen könne.

 

Annelie Buntenbach aus der Geschäftsführung des DGB-Bundesvorstandes machte deutlich, dass sie die Definition der Geringverdiener mit bis zu 2.500 Euro Bruttoeinkommen statt 2.200 Euro besser gefunden hätte.

 

Die Tarifexklusivität verteidigte die Gewerkschafterin dagegen: „Für das SPM ist die Tarifexklusivität entscheidend, um Arbeitnehmerrechte bei der Zielrente durchsetzen zu können“, hielt sie der BDA-Argumentation entgegen. Diese Exklusivität könne unterschiedliche Reichweiten haben und brauche auch Grenzen. Tatsächlich fehle es doch an der Verbreitung von Tarifverträgen. „Wir brauchen mehr Allgemeinverbindlichkeit auch bei Tarifverträgen in der bAV“, so Buntenbach.

 

 

Keine Angst vor Kannibalen

 

Ob das Gesetz die „alte bAV“ kannibalisieren könnte, wollte Rürup anschließend wissen. Allenfalls bedingt, so der Tenor der Diskutanten. Der Trend zu Beitragszusagen auch bei der Zielrente sei zu vielen der alten bAV-Zusagen nicht kompatibel, so GDV-Mann Schwark. Das Bundesarbeitsgericht würde da sicher genau hinschauen, käme es hier zu einer Kannibalisierung.

 

Die Arbeitgeber sehen diese Gefahr ebenfalls nicht als drängend an, da sich die Firmen ja finanziell neu oder zusätzlich verpflichten müssten, ergänzte Gunkel. „Engagierte Arbeitgeber switchen nicht in das SPM um, das würde zudem an den Gewerkschaften scheitern“, schätze der BDA-Chef die Lage ein.

 

…und Annelie Buntenbach, DGB, am Dienstag auf der Tagung. Alle Fotos: MCC.

Da hat er recht“, bestätigte Buntenbach. Ein wichtiger Punkt für die Gewerkschaften sei immer gewesen, sich verschlechternde Leistungen für Arbeitnehmer zu verhindern. Auch deswegen sei ein Tarifvertrag unverzichtbar – und die Sache mit Öffnungsklauseln im Detail nicht unkompliziert.

 

 

 

 

 

 

Einfach mehr zahlen?

 

Eine Alternative zur Beitragszusage sei stets ein höherer Lohn, grenzte Schwark die reine Beitragszusage von der alten Welt der Leistungszusage ab – auch mit Blick auf sukzessiv kürzer werdende Unverfallbarkeitsfristen. Arbeitgeber müssten beim SPM erklären, warum die Entgeltumwandlung zugunsten einer bAV für Arbeitnehmer langfristig ein besseres Geschäft sei, als wenn diese mit ihrem Geld privat vorsorgten

 

 

Opting-out verbreitern, Riester entschlacken

 

Was sind für die Experten nun die wichtigsten Wünsche zur Verbreitung der bAV in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Für bAV-Berater Jasper wäre dies ein „flächendeckendes Opting-out auf betrieblicher Ebene, steuerlich flankiert“. Darin wurde er von BDA-Chef Gunkel unterstützt, der dies auf freiwilliger Basis organisiert sehen möchte. Zudem wünschten sich die Arbeitgeber, die Geringverdiener-Förderung auf alle Arbeitnehmergruppen auszuweiten und bei der Direktzusage Entlastungen bei der handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsverbindlichkeiten herbeizuführen.

 

Gewerkschafts-Chefin Buntenbach sprach sich vehement gegen ein Opting-out auf betrieblicher Ebene aus. Im Gegenteil müsse die TV-Verbreitung steigen, insbesondere deren Allgemeinverbindlichkeit. Zudem müsste die Doppelverbeitragung in der gesetzlichen Kranken und Pflegeversicherung nicht nur bei Riester-bAV, sondern auch in allen anderen Bereichen der bAV abgeschafft werden, forderte Buntenbach.

 

Auch der GDV plädiert für ein Opting-out auf betrieblicher Ebene. „Weiter muss die Riester-Rente entschlackt und die Förderung endlich dynamisiert werden“, fordert Schwark. Ansonsten rät er zu Besonnenheit und setzt darauf, jetzt erst mal die Wirkungen des BRSG abzuwarten.

 

Das sieht der BVI ähnlich. Neben betrieblichen Opting-out wünscht sich Steuerexperte Maier den Ausbau der Riester-Förderung für jedermann und letztlich einen entsprechenden EU-weiten Rahmen – mit dem avisierten Pan-European Personal Pension Product.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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