Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Deutschland Dreizehnter:

„Auf den Prüfstand“

Ein großer Consultant vergleicht einmal im Jahr die Welt unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge, so auch jetzt wieder. Deutschland verbessert sich, bleibt aber mittelmäßig. An Spitze und Schluss des Rankings stehen alte Bekannte.

 

Turnusgemäß hat Mercer vorgestern seinen Melbourne Mercer Global Pension Index (MMGPI) für 2017 vorgelegt, der die Altersvorsorgesysteme in 27 ausgesuchten Ländern vergleicht. Fazit: Deutschland verbessert sich auch wegen einer Neukalibrierung der Kriterien am stärksten, gewinnt aber keinen Platz hinzu, sondern rutscht im Gegenteil vom zwölften auf den dreizehnten Platz ab.

 

Spitzenreiter im Mercer-Ranking bleibt – im sechsten Jahr in Folge – Dänemark, gefolgt von den Niederlanden und Australien, die die Plätze getauscht haben. Schlusslichter sind wie im Vorjahr Indien, bemerkenswerterweise Japan und ganz zuletzt Argentinien.

 

 

Säulenübergreifend

 

Die Studie untersucht und bewertet die Altersversorgung verschiedener Länder hinsichtlich ihrer Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität. Dabei wurden säulenübergreifend neben den staatlichen Rentensystemen und der bAV auch private Anlagen und Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt.

 

Abb.1: Das Ranking nach Staaten geordnet.

Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: Mercer.

 

Dänemark erreicht hier 78.9 von 100 Punkten. Allerdings liegen die Niederlande mit 0.1 Punkten Rückstand nur hauchdünn dahinter.

 

 

Deutschland mit höchstem Punktezugewinn von allen

 

Aus deutscher Sicht falle der diesjährige Ländervergleich mit einem Platz im vorderen Mittelfeld durchaus positiv aus, findet Mercer. Obwohl Deutschland um einen Rang zurückfällt, konnte die Punktezahl in allen drei Sub-Indices – Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität – teils deutlich gesteigert werden. Dadurch stieg der erzielte Gesamtindexwert um 4.5 Punkte von 59.0 auf 63.5 – der höchste Punktezugewinn unter allen 30 analysierten Ländern (2015 erreichte Deutschland 62 Punkte).

 

Udo Mueller, Mercer. Foto: Tim Wegner.

Auch bei der Bewertung nach Noten ging es nach oben, von C auf C+. „Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich einen Rang zurückfällt, zeigt die Studie deutlich, dass unser Rentensystem mit einem ‚gesunden Mix‘ aus gesetzlicher Rente, betrieblicher und privater Altersvorsorge auf einem guten Weg ist“, erklärt Udo Müller, Rentenexperte bei Mercer. „Aber trotz der signifikanten Verbesserung sollten wir die Studie zum Anlass nehmen, unser Rentensystem permanent auf den Prüfstand zu stellen und weitere Optimierungspotenziale zu identifizieren.“

 

 

Kriterien neu kalibriert

 

Sein verbessertes Ranking verdanke das deutsche Altersversorgungssystem einer Überarbeitung und Erweiterung der Bewertungskriterien, so Mercer. Zum einen wurde der Sub-Index Nachhaltigkeit um den Indikator reales Wirtschaftswachstum ergänzt. „Ein langfristiges und stabiles Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes schlägt sich nicht nur positiv in der Arbeitsmarktstatistik und einer reduzierten Staatsverschuldung nieder, sondern eröffnet auch Spielräume für den Aufbau einer nachhaltigen Altersversorgung. Zudem stärkt eine solide Wirtschaft die bestehenden Altersversorgungssysteme. Der Index wurde daher um diesen Aspekt erweitert“, erklärt Müller.

 

Zum anderen wurde im Sub-Index Angemessenheit erstmals auch die freiwillige betriebliche Altersvorsorge für den Indikator Nettoersatzrate (Nettoversorgungsniveau) berücksichtigt. „Durch diese Erweiterung wird die Realität besser abgebildet und die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern stärker gewährleistet. Schließlich hat die freiwillige Altersversorgung in vielen Ländern einen erheblichen Stellenwert“, so Müller weiter.

 

Abb.2: Das Ranking nach Gruppen geordnet (Deutschland C+).

 

Grafik zur Volldarstellung anklicken. Quelle: Mercer.

 

Noch keine Berücksichtigung bei der Bewertung fand das BRSG, das 2018 in Kraft tritt. Jedoch sei, so Mercer, laut Studie davon auszugehen, dass sich dank der Reform der Gesamtindexwert in Zukunft noch weiter verbessern wird.

 

 

Handlungsempfehlungen

 

Folgende Maßnahmen könnten Mercer zufolge zu weiteren Verbesserungen des Altersvorsorgesystems beitragen:

 

  • Anhebung der Mindestrenten für Niedriglohn-Rentner

  • Weitere Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer

  • Verbesserung der Kommunikation an die Leistungsempfänger

  • Erhöhung der Teilnahmequoten in der betrieblichen Altersversorgung.

 

Ein Teil dieser Handlungsempfehlungen wird durch das BRSG bereits berücksichtigt. Wir sind daher davon überzeugt, dass das neue Gesetz mit der Förderung der bAV für Mitarbeiter mit geringeren Einkommen und weiteren Anreizen für die mitarbeiterfinanzierte Altersversorgung die deutsche Versorgungslandschaft langfristig stärken kann“, hofft Müller.

 

 

Kein Land mit Bestnote

 

Übrigens: Nachdem sie 2016 noch die Bestnote A erhalten hatten, konnten Dänemark und die Niederlande diesmal nicht mehr die dafür notwendige 80-Punkte-Marke erreichen. Hauptgrund ist die erwähnte Überarbeitung und die damit verbundenen Abwertungen einzelner Bewertungskriterien. Entsprechend sorgten die reduzierte Gewichtung von Planvermögen und Beitragshöhe sowie das geringere Wirtschaftswachstum für die entscheidenden Punktverluste der beiden Länder – und somit für die Bewertung mit der Note B+.

 

 

Nachhaltigkeit als wichtigster Faktor für Rentenreformen

 

Laut Jacques Goulet, President Health und Wealth bei Mercer, sollten sich Länder insbesondere mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit befassen, wenn sie künftige Rentenreformen konzipieren:

 

Weltweit haben eine steigende Lebenserwartung und niedrige Investmenterträge ebenso signifikante wie längerfristige Auswirkungen auf die Fähigkeit vieler Systeme, angemessene Rentenleistungen bereitzustellen – jetzt und in Zukunft.“ Darüber hinaus hätten diese Unwägbarkeiten den Gesetzgebern vor Augen geführt, dass die Frage nach generationenübergreifender Gerechtigkeit zunehmend an Bedeutung gewinne.

 

Japan, Österreich, Italien und Frankreich sind Beispiele für Volkswirtschaften, in denen die Rentensysteme nicht auf einem nachhaltigen Modell basieren, das aktuelle und künftige Generationen tragen kann.“ Schuld sind Goulets Ansicht nach eine ganze Reihe von Faktoren, darunter fehlende Rücklagen für die Zukunft, die geringe Zahl älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sowie ein signifikanter demografischer Wandel.

 

Deutschland erreicht hier übrigens nur 40.9 Punkte (noch nur 35.8 im Vorjahr).

 

 

Lernet von einander: Best Practices als Leitfaden für die Zukunft

 

David Knox, Mercer.

Laut David Knox, Verfasser der Studie und Senior Partner bei Mercer, sind diese Ergebnisse jedoch kein Anlass für Endzeitstimmung. Vielmehr können alle Länder jetzt Maßnahmen ergreifen, um ihre Altersvorsorge zu verbessern. „Das Hauptziel des Index ist die Bewertung der verschiedenen Rentensysteme, und zwar mit dem Ziel, voneinander zu lernen und Best Practices zu identifizieren – für jetzt und für die Zukunft. Die Studie legt offen, welche Länder nachhaltige Altersvorsorgesysteme mit angemessenen Leistungen eingeführt haben und was man aus diesen Erfolgsstorys lernen kann.“ An den skizzierten Best Practices könnten sich andere Länder orientieren, um die politischen und ökonomischen Voraussetzungen für notwendige Reformen zu schaffen.

 

Ergebnisse nach Gesamtindexwert geordnet

 

 

Zur Methodik der Studie

 

Der Melbourne Mercer Global Pension Index wurde erstmalig 2009 mit einem Ranking für 11 Länder erstellt. Im vergangenen Jahr wurden 27 Länder untersucht, 2017 umfasst der Index dank der Neuzugänge Kolumbien, Neuseeland und Norwegen 30 Länder.

 

Jedes Land ist auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Der Gesamtindex ist der gewichtete Durchschnittswert der drei Sub-Indices Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität.

 

Der Sub-Index Angemessenheit untersucht die derzeit gewährten Versorgungsleistungen und einige wichtige Gestaltungsmerkmale, wie beispielsweise Versorgungsniveau, steuerliche Anreize, Gestaltung der Altersversorgungsmodelle, Sparquote. Erstmalig wurde auch freiwillige betriebliche Altersvorsorge als Indikator für die Nettoersatzrate berücksichtigt (auf Basis von Werten der OECD). Der Sub-Index Angemessenheit wird als wichtigster Index mit 40 Prozent gewichtet.

 

Der Sub-Index Nachhaltigkeit untersucht anhand mehrerer Indikatoren, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Bei diesem Sub-Index spielen Faktoren wie Rückdeckung, Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und 2017 erstmalig auch von der Weltbank gemessenes reales Wirtschaftswachstum eine Rolle. Dieser Sub-Index wird mit 35 Prozent gewichtet.

 

Der Sub-Index Integrität konzentriert sich auf den Bereich der Privatvorsorge und untersucht anhand verschiedener Indikatoren, wie „vertrauenswürdig“ und beständig das Vorsorgesystem ist. Hier spielen staatliche Aufsicht, Governance, Risikosteuerung und Kommunikation eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung. Die Gewichtung liegt bei 25 Prozent.

 

Zur Bewertung der einzelnen Länder wurden über 40 Indikatoren für erstrebenswerte Merkmale in allen Altersversorgungssystemen berücksichtigt.

 

Das Ranking ist von Mercer bereits zum neunten Mal in Kooperation mit dem Australian Centre for Financial Studies erstellt worden. Der vollständige Studienbericht findet sich zum Download hier.

 

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

© Pascal Bazzazi – LEITERbAV – Die auf LEITERbAV veröffentlichten Inhalte und Werke unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Keine Nutzung, Veränderung, Vervielfältigung oder Veröffentlichung (auch auszugsweise, auch in Pressespiegeln) außerhalb der Grenzen des Urheberrechts für eigene oder fremde Zwecke ohne vorherige schriftliche Genehmigung. Die Inhalte einschließlich der über Links gelieferten Inhalte stellen keinerlei Beratung dar, insbesondere keine Rechtsberatung, keine Steuerberatung und keine Anlageberatung. Alle Meinungsäußerungen geben ausschließlich die Meinung des verfassenden Redakteurs, freien Mitarbeiters oder externen Autors wieder.