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Die EbAV im Sozialpartnermodell (I):

Am Pensionsfonds führt kein Weg vorbei

Anfang 2018 wird das BRSG in Kraft treten. Der nachhaltige Erfolg künftiger Einrichtungen unter Beteiligung und Steuerung der Sozialpartner wird auch von der Wahl des Durchführungsweges abhängen. Dirk Jargstorff und Hansjörg Müllerleile analysieren und beziehen Stellung, Teil I eines zweiteiligen Beitrags.

 

Dirk Jargstorff, Robert Bosch GmbH.

Die weitreichenden Impulse, die das BRSG setzt, etablieren die bAV wieder als breitentaugliches Instrument, das insbesondere auch in KMU ebenso schlank, wirksam und effizient umgesetzt werden kann wie dies heute in Großunternehmen der Fall ist. Mit der Einbindung von Sozialpartnern, der Konzentration auf beaufsichtigte Einrichtungen und den Impulsen für Kapitalanlage sowie Risikomanagement ist ein starkes Signal der Rückbesinnung auf das kollektive Kernstärkenprofil verbunden, das die bAV in ihrem Wesenskern als Sozialleistung zum Gegenstand hat.

 

Hansjoerg Muellerleile, Robert Bosch GmbH.

Der Blick in den Koalitionsvertrag macht deutlich, dass der Gesetzgeber neben der unmittelbaren Zielsetzung – der weiteren Verbreitung in KMU – auch eine klare strategische Zielsetzung im europäischen Kontext verfolgt. Dieses starke Bekenntnis in der Gesetzgebung durch die Fokussierung auf kapitalgedeckte Altersversorgung in beaufsichtigten Einrichtungen zu untermauern, ist bisher beispiellos und uneingeschränkt zu begrüßen.

 

Betrachtet man konkrete Umsetzungsformen für die Inhalte des Sozialpartnermodells als Kernstück des BRSG, stellt man fest, dass hier keineswegs Terra Incognita betreten wird. Es handelt sich um sorgfältige Weiterentwicklungen bestehender Instrumentarien, die in wenigen deutschen, aber zahlreichen europäischen Pensionsfonds wohl erprobt sind.

 

 

Pensionsfonds als natürlicher Durchführungsweg

 

Es ist kein Zufall, dass die wesentlichen Vorschriften zur Gestaltung der Zielrente im Aufsichtsrecht der Pensionsfonds geregelt wurden. Der Pensionsfonds wurde 2002 als neuer Durchführungsweg der bAV eingeführt. Dabei wurde er als „modernes und flexibles Instrument“ vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht als Versicherungsunternehmen, sondern als Versorgungseinrichtung unter explizitem Bezug auf ein angestrebtes „europataugliches Instrument“ unter der damals neuen EU-Pensionsfonds-Richtlinie definiert. Im Zusammenwirken mit der ebenfalls neuen Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) entstand damit ein ganzheitliches Instrumentarium, das weitgehend auf dem qualitativ orientierten „Prudent Person“-Prinzip beruhte und in der Anwartschaftsphase größere Freiheiten in der Kapitalanlage für eine attraktive, kapitalgedeckte Altersversorgung ermöglichte.

 

 

Pensionsfonds mit passendem Regelungsumfeld

 

Die Zielrente, flankiert durch die rBZ und die Steuerung durch die Sozialpartner als „Prudent Person“, ist die konsequente Weiterentwicklung dieser gesetzgeberischen Absicht, die in Pensionsfonds in Reinkultur umgesetzt werden kann. Anders als Lebensversicherungen unterliegen Pensionsfonds aufsichtsrechtlich dem Regime von IORP II und nicht etwa Solvency II. Während die öffentlichen Diskussionen dazu neigen, den Unterschied zwischen beiden Regimen auf die quantitativen Vorgaben zu reduzieren, sind die tatsächlichen qualitativen Unterschiede in Governance und dem Verhältnis zu den Begünstigten weitaus fundamentaler. Solvency II ist ein Regelungsumfeld für eine Vielzahl von Versicherungsarten und im Kern Verbraucherschutzrecht. Es orientiert sich an dem Gefälle zwischen Anbieter und schutzwürdigem (Einzel-) Kunden sowie an dem Wettbewerbsverhältnis unter den Anbietern. Alle hierauf beruhenden Regeln zu Governance, Risikosteuerung, Reporting und Informationspflichten orientieren sich an diesen Spannungsfeldern.

 

In der bAV – in ihrem kollektiven Kern eine Sozialleistung, die Arbeitgeber und künftig auch die Sozialpartner ohne Gewinninteressen organisieren – finden diese Spannungsfelder nicht statt. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten sind durch das dem Verbraucherschutzrecht wesensfremde Arbeitsrecht gestaltet, das insbesondere in der für die bAV maßgeblichen Form des kollektiven Arbeitsrechts vollkommen anderen Abwägungen unterliegt. Die Einrichtungen der Unternehmen und der Sozialpartner stehen untereinander auch nicht im Wettbewerb, wie dies bei Versicherern der Fall ist. Der preis- und qualitätsbildende Wettbewerb findet stattdessen dort statt, wo er seine maximale Effizienz entfalten kann: innerhalb der Einrichtung in ihren jeweiligen Segmenten wie Kapitalanlage, Administration et cetera.

 

Aus diesem Grund ist IORP II als eigenes Regelungsumfeld konzipiert, das einzig für EbAV geschaffen ist: getrennt und unabhängig von Versicherungen und anderen Finanzinstitutionen. Damit unterstützt IORP II die notwendige spezifische Perspektive der Arbeitgeber, der Sozialpartner und auch der Aufsichtsbehörden auf die bAV als effizienteste Form kapitalgedeckter Altersvorsorge. Es ist daher nicht zufällig, dass die Sozialpartnermodelle unserer europäischen Nachbarstaaten ausnahmslos in Pensionsfonds organisiert sind.

 

 

Pensionsfonds mit geeigneten Organstrukturen für Sozialpartner

 

Es gibt neben der aufsichtsrechtlichen Thematik aber noch einen weiteren, ganz praktischen Grund, der für die Umsetzung des Sozialpartnermodells in Pensionsfonds spricht: Die Rechtsform als Aktiengesellschaft ermöglicht den Sozialpartnern die schlanke, rechtssichere Nutzung einer Zielstruktur, die in ihrer gesellschaftsrechtlichen Organstruktur (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung) ideal geeignet ist. Den Sozialpartnern steht es grundsätzlich frei, wo sie – selbst oder durch beauftragte Dritte – in der Organstruktur der AG ihre Steuerungsaufgabe wahrnehmen. Die Gesetzesbegründung legt hierfür zwar den Aufsichtsrat nahe, lässt dies aber grundsätzlich offen. Entscheidend ist, dass der Pensionsfonds als AG bereits unter den Organen mehrere rechtlich klar strukturierte Steuerungsoptionen zulässt, ohne auf „Beirats“-Strukturen oder ähnlich mittelbare Funktionen zurückgreifen zu müssen.

 

 

Pensionsfonds – bereits heute handlungsfähig

 

Alle wesentlichen Kernelemente des BRSG lassen sich bereits heute im Pensionsfonds umsetzen: renditeorientierte und stark diversifizierte Kapitalanlage, von Beginn an höhere Renten, Puffersystematik für die faire Verteilung der Erträge, Sicherheit durch rigides Risikomanagement auf der Basis von Marktwerten und auch einfache Steuerung durch die Sozialpartner. Im Folgenden sollen nun die wesentlichsten Gestaltungsmerkmale bewertet werden und deren Abbildung im Bosch Pensionsfonds verdeutlicht werden.

 

Ende des ersten Teils des Beitrags. 

Teil II findet sich zwischenzeitlich hier.

 

Dirk Jargstorff ist Senior Vice President Pensions and Related Benefits der Robert Bosch GmbH. Hansjörg Müllerleile ist Director Pensions and Related Benefits der Robert Bosch GmbH.

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