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BMAS-Studie liegt vor:

40 Hemmnisse

 

Die „Machbarkeitsstudie für eine empirische Analyse von Hemmnissen für die Verbreitung der bAV in KMU“, in Auftrag gegeben vom BMAS, liegt nun vor. Die wissenschaftlichen Ergebnisse decken sich weitestgehend mit subjektiven Erfahrungen.

 

 

Wenn sich die deutsche Politik überhaupt für die betriebliche Altersversorgung interessiert, dann derzeit vor allem für die mangelhafte Verbreitung bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), das betrifft den Anteil der bAV-anbietenden Unternehmen an sich als auch den Grad der Beteiligung bei den dort Beschäftigten.

 

Entsprechend hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Juli 2013 die Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Paderborn sowie die Kienbaum Management Consultants in Hamburg beauftragt, in einer Machbarkeitsstudie „zu untersuchen, ob und wie empirische Informationen zu konkreten Hemmnissen, die einer stärkeren Verbreitung der BAV in KMU entgegenstehen, gewonnen und wie diese analysiert werden können.“

 

Die „Machbarkeitsstudie für eine empirische Analyse von Hemmnissen für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in kleinen und mittleren Unternehmen“ selbst hat 185 Seiten, doch stellen die Autoren um Projektleiter Professor Frank Wallau von der FHDW auf der BMAS-Homepage auch eine Kurzfassung zur Verfügung:

 

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Ausgangspunkt der Studie war die Erkenntnis, dass der Verbreitungsgrad der bAV bei KMU deutlich niedriger ist als bei größeren Unternehmen. Zudem ist der Beteiligungsgrad der Mitarbeiter an einer bAV-Lösung in KMU deutlich niedriger als in größeren Unternehmen. Über die konkreten Ursachen der geringeren Verbreitung der bAV in KMU liegen bisher kaum empirisch fundierte Erkenntnisse vor. Somit besteht ein großes Interesse, mehr über die entsprechenden Verbreitungshemmnisse und konkrete Ansatzpunkte zur Steigerung des Verbreitungsgrades der bAV bei den KMU und deren Arbeitnehmern zu erfahren.“

 

 

Der Stand der Technik

 

Wie in der Wissenschaft guter Brauch, haben sich die Autoren zunächst den wissenschaftlichen Stand der Dinge angesehen, und der war offenbar wenig fruchtbar:

 

Insgesamt ist festzustellen, dass die Erforschung der Ursachen für die relativ geringe Verbreitung der bAV bei KMU und deren Arbeitnehmern in den empirischen Studien bisher nur unzureichend erfolgt. In lediglich vier Studien wurden die Arbeitgeber beziehungsweise Personalverantwortlichen aus KMU explizit nach den Gründen befragt, warum sie bisher keine bAV-Lösung in ihrem Unternehmen implementiert haben. Ebenfalls nur vier Studien setzten sich mit der Frage auseinander, warum Arbeitnehmer nicht an einer bAV teilnehmen. Wenn sich eine Studie mit der Thematik auseinandersetzt, dann stehen in der Regel nur ein bis zwei geschlossene Fragen für dieses Thema zur Verfügung. Zudem ist zu konstatieren, dass die analysierten Studien zwar KMU beziehungsweise Arbeitnehmer von KMU in ihren Befragungen berücksichtigt haben, aber – bis auf die Untersuchungen von TNS Infratest Sozialforschung im Auftrag des BMAS – die Fallzahl der Antwortenden so gering war, dass keine unternehmensgrößenspezifischen Auswertungen der Hemmnisse möglich waren.“

 

Für die nun vorliegende Studie haben die Wissenschaftler einen idealtypischen Prozess der bAV-Einführung und -Verbreitung aus Sicht der drei relevanten Akteure – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und bAV-Anbieter – dargestellt. In einem weiteren Schritt wurden in Abstimmung mit dem BMAS fünf tarifvertragliche beziehungsweise branchenspezifische bAV-Lösungen ausgewählt und hinsichtlich ihrer Ausgestaltung analysiert: die BauRente, die Chemie-Altersvorsorge, die hogarente, die MetallRente und die SHK-Rente Bayern.

 

 

Sind Branchenlösungen besser?

 

Ein Ergebnis dieser Analyse der Branchenlösungen ist jedenfalls ernüchternd, denn „der Verbreitungsgrad der betrachteten Branchenlösungen kann auf Basis der vorliegenden Statistiken nicht eindeutig bestimmt werden. Folglich konnte auch die Frage, ob der Verbreitungsgrad der Branchenlösungen in KMU, bei allen Vorteilen, die eine solche Branchenlösung zweifelsohne bieten kann, tatsächlich höher ist als der allgemeine bAV-Verbreitungsgrad in KMU, im Rahmen dieser Studie nicht beantwortet werden.“

 

Nicht weniger ernüchternd war der Blick über die Grenzen. Eine Vergleichsanalyse mit Großbritannien, Belgien und Irland – alles entwickelte bAV-Landschaften – hat gezeigt, „dass dort die Forschung beziehungsweise die bei offiziellen Stellen vorhandenen Daten zu Fragen der bAV-Verbreitung hinter den in Deutschland gewonnenen Erkenntnissen deutlich zurück bleibt.“ Da keine Daten zum Verbreitungsgrad in KMU und unter deren Arbeitnehmern in diesen Ländern erhoben würden, könne derzeit auch kein direkter Vergleich mit der Situation in Deutschland erfolgen.

 

 

13 +22 + 5 = 40

 

Gleichwohl kommt die Studie zu handfesten Ergebnissen: Insgesamt konnten 13 potenzielle Hemmnisse im Rahmen der bAV-Einführung beziehungsweise -Inanspruchnahme bei Arbeitgebern, 22 Hemmnisse bei Arbeitnehmern und fünf Hemmnisse bei den bAV-Anbietern identifiziert werden. Allerdings, so schränken die Autoren ein, ließe sich auf Basis der vorangegangenen Untersuchungsschritte nicht eindeutig identifizieren, welche der 40 potenziellen, in der Praxis auftretenden Hemmnisse verstärkt in KMU auftreten. Zu einer ersten Einschätzung der Relevanz hat man sich daher auf die abschließenden elf Experteninterviews gegründet. Ergebnis: Neun Hemmnisse mit einer überdurchschnittlichen Relevanz auf Seiten der Arbeitgeber, deren zehn auf Seiten des Arbeitnehmers und eines auf Seiten der bAV-Anbieter. Zwischenfazit:

 

Obwohl diese Ergebnisse aufgrund der geringen Anzahl der Experteninterviews lediglich eine erste Tendenz darstellen können, wird durch die Interviews deutlich, dass sowohl auf Seiten der Arbeitgeber als auch auf Seiten der Arbeitnehmer Hemmnisse mit hoher KMU-Relevanz auftreten.“

 

Besonders erwähnt seien an dieser Stelle folgende Hemmnisse: Angst des Arbeitgebers vor hohem Verwaltungs- und Informationsaufwand, fehlendes Engagement des Arbeitgebers, das Fehlen von bAV-Spezialisten/Personalressourcen im Unternehmen, geringes Einkommen der Mitarbeiter, fehlendes Engagement eines Betriebsrates und schließlich zu hohe Komplexität des Themas bAV beziehungsweise zu wenig einfach verständliche Informationen – alles Themen, die subjektiv jeder kennt und erfährt, der sich mit der bAV beschäftigt, sei es als Unternehmer, Arbeitnehmer, Anbieter, Funktionär, Consultant, Vertriebler – oder gar als Journalist.

 

Und so manches davon kennt man auch in der Großindustrie, nur nicht vielleicht in dieser Schärfe. Entsprechend schreiben auch die Autoren von dem „Eindruck, dass neben den Hemmnissen, welche verstärkt in KMU auftreten (zum Beispiel geringe Zeit- und Personalausstattung), allgemeine Hemmnisse, die sowohl für KMU als auch für größere Unternehmen gelten (wie zum Beispiel allgemeiner Wissensstand, Niedrigzinsphase), in KMU viel häufiger dazu führen, dass KMU keine bAV anbieten beziehungsweise die Arbeitnehmer in KMU sich an einer angebotenen bAV-Lösung nicht beteiligen.“

 

 

Folgt Fortsetzung?

 

Die Materie ist quantitativ und qualitativ nicht einfach zu fassen, dies belegt auch der Mangel an belastbaren Fakten beispielsweise in Großbritannien, das alles andere als ein bAV-Anfängerland ist.

 

Unter dem übergeordneten Ziel, den bAV-Verbreitungsgrad in KMU und unter deren Arbeitnehmern zu erhöhen, stellt sich die Frage, wo genau Maßnahmen ansetzen und Hemmnisse beseitigt oder zumindest abgemildert werden könnten? Hierzu müsste aus Sicht der Autoren mit Blick auf den Forschungsstand zunächst mehr Information über die (Haupt-) Hemmnisse erarbeitet werden. Die Liste der 40 Hemmnisse, so – wie sie im Rahmen dieser Studie erarbeitet wurde – sollte mit der interessierten Fachöffentlichkeit weiter diskutiert werden. Hierzu unterbreiten die Autoren verschiedene Vorgehensweisen. „Ein inhaltlicher Konsens an dieser Stelle beziehungsweise ein einheitliches Verständnis der Hemmnisse bei allen Akteursgruppen wäre ein nächster Schritt, auf dem sich aufbauen ließe – politisch wie wissenschaftlich“, so Wallau gegenüber Leiter-bAV.de.

 

Hierauf aufbauend sind grundsätzlich empirische Befragungen von KMU, die keine bAV anbieten, und von Arbeitnehmern in KMU, die eine von dem Unternehmen angebotene bAV nicht angenommen haben, möglich. Allerdings führen die Autoren aus: „Bei dem skizzierten Vorgehen für weiter gehende Forschungen würden neue, belastbare empirische Forschungsergebnisse nur bei einer sorgfältigen Vorbereitung und unter hohem Aufwand – insbesondere mit Blick auf das Design der Befragung und die Konstruktion der Fragebögen – zu erzielen sein. Deshalb ist abzuwägen, ob sich dieser Aufwand im Verhältnis zu dem zu erwartenden Mehrwert gegenüber den bereits durch diese Machbarkeitsstudie gewonnenen Erkenntnissen für die bAV in KMU lohnt.“

 

 

Meinung ist gefragt!

 

Die Studie im Auftrag des BMAS soll einen kleinen Beitrag leisten, eine der prägnantesten Lücken in der Altersvorsorge der Menschen in Deutschland zu schließen: die betriebliche Altersversorgung bei den Mitarbeitern kleiner und mittlerer Unternehmen. Um aber zu weiteren Erkenntnissen und Schlussfolgerungen in Zusammenhang mit der Studie zu gelangen, ist für Projektleiter Wallau jede Form der Rückmeldung zu der Studie wichtig, auch von Großindustrie und großen EbAV. Diejenigen Leser von Leiter-bAV.de, die sich mit der Studie befasst haben und dazu Feedback geben möchten, sind gern aufgefordert, sich mit Kritik, Meinungen und Einschätzungen an Professor Frank Wallau zu wenden:

 

Prof. Dr. Frank Wallau

Mittelstandspolitik, Unternehmensgründung/-nachfolge

Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW)

Fürstenallee 3 – 5

33102 Paderborn

Telefon +49 5251 301-324

Telefax +49 5251 301-188

frank.wallau@fhdw.de

Zu der Homepage der FHDW mit weiteren Innformationen zu der Studie geht es hier.

 

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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