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BMAS legt nach:

17b zum Zweiten

 

Die Diskussion um eine gesetzliche Regelung sozialpartnerschaftlich getragener EbAV geht in die nächste Runde: Am Montag hat das BMAS einen neuen Entwurf eines Paragrafen 17b verschickt.

 

Für den 9. März hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die wichtigsten beteiligten Verbände und Stakeholder erneut in seinen Dienstsitz in der Berliner Wilhelmstraße geladen. Themen sind der Stand der Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie und der Stand des BMF-Forschungsvorhabens ,,Optimierung der staatlichen Förderung der bAV“. Im Zentrum des Treffens wird jedoch die Erörterung des BMAS-Modells ,,Neues Sozialpartnermodell Betriebsrente“ stehen. Hierzu haben die BMAS-Beamten den Teilnehmern am Montag einen neuen Vorschlag eines Paragrafen 17b BetrAVG samt Begründung zukommen lassen.

 

Verpflichtende Arbeitgeberbeiträge sind laut Vorschlag weiterhin nicht vorgesehen. Wesentliche Kernelemente des Vorschlags im Vergleich zu ersten Version: Der Arbeitgeber kann eine reine Beitragszusage erteilen, die Garantie der Mindestleistung erfolgt durch die EbAV, das Ausfallrisiko wird über den PSV gedeckt, und das Modell kann auch von nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern genutzt werden.

 

Der Vorschlag samt Begründung im Folgenden im Wortlaut:

 

 

§ 17b neu – Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien

 

(1) In Tarifverträgen kann abweichend von § 1 Absatz 2 Nummer 1 und 2 eine Beitragszusage des Arbeitgebers vorgesehen werden, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien gemäß § 4 des Tarifvertragsgesetzes durchgeführt wird.

 

(2) Die abweichenden Bestimmungen gelten auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn zwischen ihnen die Anwendung der tariflichen Regelung vereinbart ist.

 

(3) Die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers nach diesem Gesetz gehen im Fall einer Beitragszusage nach Absatz 1 sinngemäß auf die gemeinsame Einrichtung über. Die gemeinsame Einrichtung muss dem Versorgungsberechtigten mindestens eine Leistung garantieren, die einer Beitragszusage mit Mindestleistung entspricht. Die auf den Beiträgen beruhende Anwartschaft ist sofort unverfallbar. Von § 16 kann in Tarifverträgen abgewichen werden.

 

(4) Die gemeinsame Einrichtung nach Absatz 1 muss als Pensionskasse oder Pensionsfonds organisiert sein.

 

(5) Wird die gemeinsame Einrichtung nach Absatz 1 insolvent oder kommt sie ihren Versorgungsverpflichtungen nicht nach, hat der Versorgungsberechtigte einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung. Der Anspruch ist begrenzt auf den Leistungsumfang einer Beitragszusage mit Mindestleistung. Die gemeinsame Einrichtung ist verpflichtet, Beiträge an den Träger der Insolvenzsicherung zu zahlen; die Beitragsbemessungsgrundlage beträgt bei einer Pensionskasse (…) Prozent, bei einem Pensionsfonds (…) Prozent des entsprechend nach § 10 Absatz 3 Nummer 1 ermittelten Betrages. Im Übrigen gelten die §§ 7 bis 11 entsprechend.

 

 

Begründung (allgemein):

 

Mit der Neuregelung soll der weitere Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung gestärkt werden. Ende 2013 hatten circa 17,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei ihrem aktuellen Arbeitgeber eine Betriebsrentenanwartschaft, das sind knapp 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch wenn dies gegenüber 2001 eine Steigerung um circa 30 Prozent bedeutet und viele Beschäftigte eine zusätzliche Altersvorsorge über die Riester-Rente aufbauen, sind weitere Anstrengungen notwendig, um die angestrebte möglichst hohe Flächendeckung der betrieblichen Altersversorgung zu erreichen. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen besteht noch erhebliches Verbreitungspotenzial. So verfügen in Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten lediglich 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine Betriebsrentenanwartschaft. Der Vorteil der betrieblichen Altersversorgung gegenüber anderen Formen der zusätzlichen Altersvorsorge liegt vor allem in ihrem strukturell kollektiven Charakter, aus dem erhebliche Kosten- und Effizienzvorteile resultieren können. Eine wichtige Rolle kommt dabei naturgemäß den Tarifvertragsparteien zu.

 

Hier setzt die Neuregelung an, indem weitere zentrale Vorschriften des Betriebsrentengesetzes tarifdispositiv gestaltet werden und außerdem die Möglichkeit eröffnet wird, dass auch nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer davon profitieren können. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben damit die Möglichkeit, die Alterssicherung der Beschäftigten noch mehr als bisher zum Gegenstand von Tarifverhandlungen zu machen und somit die Grundlage für eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu legen.

 

Die Sozialpartner können künftig vereinbaren, dass Betriebsrentenzusagen auch in der Form so genannter reiner Beitragszusagen erfolgen. Im Gegenzug müssen solche Betriebsrenten über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien organisiert werden. Die gemeinsame Einrichtung, die als Pensionskasse oder Pensionsfonds organisiert ist und damit der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt, muss den Beschäftigten eine Mindestleistung zusagen; sie übernimmt insofern die bisherige Haftung des Arbeitgebers. Kann sie die zugesagten Leistungen nicht erbringen, tritt der Pensions-Sicherungs-Verein als Ausfallbürge ein. Die gemeinsame Einrichtung kann sich auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte öffnen. Die Neuregelung sieht vor, dass auch in diesen Fällen reine Beitragszusagen vereinbart werden können.

 

Dieses Betriebsrentenmodell hat gegenüber den bisherigen Formen der betrieblichen Altersversorgung zahlreiche Vorteile:

 

Mit der zwingenden Anknüpfung der Beitragszusage an die gemeinsame Einrichtung wird eine enge Bindung der Arbeitgeber an die betriebliche Altersversorgung sichergestellt und damit deren Charakter als betriebliche Sozialleistung betont.

 

Die gemeinsamen Einrichtungen können kostengünstig agieren, sie sind auf die jeweils spezifischen Branchenprobleme zugeschnitten und haben eine hohe Akzeptanz bei allen Beteiligten.

 

Aus Sicht der Arbeitgeber besteht der Anreiz insbesondere darin, dass Haftungsrisiken entfallen können, die mit den bisherigen Zusagearten verbunden sind. Mit der Zahlung der Beiträge bestehen insofern keine weiteren Betriebsrentenverpflichtungen mehr („pay and forget“). Das bisherige zentrale Verbreitungshemmnis, das in der Komplexität der betrieblichen Altersversorgung gesehen wird, kann so beseitigt werden.

 

Aus Arbeitnehmersicht besteht der Anreiz darin, für mehr Beschäftigte als bisher arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten zu erreichen, und in der gemeinsamen Einrichtung gleichberechtigt an der effizienten Verwaltung der Betriebsrenten mitzuwirken. Die mit einer Beitragszusage verbundene Enthaftung des Arbeitgebers für die Betriebsrentenleistung führt dabei nicht zu weniger Sicherheit für die Beschäftigten.

 

Auf der Grundlage branchenweit organisierter gemeinsamer Einrichtungen kann das Problem der mangelnden Portabilität von Betriebsrentenanwartschaften weitgehend gelöst werden.

 

 

Begründung zu § 17b:

 

Absatz 1 Satz 1 eröffnet den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, reine Beitragszusagen zu vereinbaren. Anders als bei der beitragsorientierten Leistungszusage und der Beitragszusage mit Mindestleistung (§ 1 Absatz 2 Nummer 1 und 2) verspricht der Arbeitgeber bei dieser Art Zusage keine betriebliche Versorgungsleistung, sondern er ist lediglich verpflichtet, Finanzierungsbeiträge zu zahlen, die zusammen mit den Kapitalerträgen im Versorgungsfall Grundlage der Betriebsrente sind. Voraussetzung für die Beitragszusage ist, dass die Beiträge an gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien nach dem Tarifvertragsgesetz gezahlt werden. Solche Einrichtungen sind von den Tarifvertragsparteien geschaffene und von ihnen abhängige Organisationen, die insbesondere durch eine paritätische Aufsicht und Kontrolle durch die Sozialpartner gekennzeichnet sind.

 

Absatz 2 eröffnet die Möglichkeit, dass die tariflichen Regelungen über Beitragszusage und gemeinsame Einrichtung auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten können. Wegen des fehlenden Bezugs auf den „einschlägigen“ Tarifvertrag (anders als in § 17 Absatz 3 Satz 2) besteht diese Möglichkeit auch für branchenfremde Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Voraussetzung ist, dass die gemeinsame Einrichtung entsprechende Zahlungen entgegennehmen kann, was von den die Einrichtung tragenden Tarifvertragsparteien zu entscheiden ist. Eine solche Öffnung hat den Vorteil, dass für tarifgebundene und für nicht tarifgebundene Beschäftigte eines Betriebes einheitliche Versorgungsbedingungen ermöglicht werden. Außerdem kann auf diesem Weg nicht tarifgebundenen kleinen und mittleren Unternehmen, die bisher wegen der unabdingbaren Arbeitgeberhaftung und der Komplexität möglicher Betriebsrentenlösungen noch keine betriebliche Altersversorgung eingeführt haben, eine effiziente, haftungsfreie und einfach durchzuführende Betriebsrentenalternative zur Verfügung gestellt werden.

 

Absatz 3 regelt die gesetzlichen Anforderungen an die gemeinsame Einrichtung, von denen im Tarifvertrag grundsätzlich nicht abgewichen werden kann. Satz 1 regelt zunächst den Grundsatz, dass die gemeinsame Einrichtung die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers nach dem Betriebsrentengesetz übernimmt. Danach hat der Arbeitnehmer gegenüber der gemeinsamen Einrichtung zum Beispiel einen Übertragungsanspruch (§ 4) und das Recht auf vorzeitige Altersleistung (§ 6); die gemeinsame Einrichtung kann Anwartschaften und laufende Leistungen abfinden (§ 3). Die folgenden Sätze spezifizieren diesen Grundsatz beziehungsweise regeln Ausnahmen. Nach Satz 2 ist die Einrichtung gegenüber den Beschäftigten zu einer Mindestleistung verpflichtet. Damit wird sichergestellt, dass die gemeinsame Einrichtung den Beschäftigten eine Versorgung in der Höhe garantiert, für die der Arbeitgeber hätte haften müssen, wenn er die Möglichkeit der Beitragszusage nicht in Anspruch genommen hätte. Nach Satz 3 sind die Anwartschaften sofort unverfallbar, unabhängig davon, ob sie vom Arbeitgeber finanziert werden oder auf Entgeltumwandlung beruhen. Die sofortige Unverfallbarkeit auch der arbeitgeberfinanzierten Beiträge spiegelt die von den Beschäftigten selbstständig einklagbare Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beitragszahlung wider und entspricht außerdem dem Gedanken des „pay and forget“. Nach Satz 4 obliegt das Ob und Wie einer möglichen Anpassung der von der gemeinsamen Einrichtung zu zahlenden Betriebsrenten den Tarifvertragsparteien.

 

Absatz 4 regelt die Rechtsform der gemeinsamen Einrichtung. Diese muss als „Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung“ im Sinne von Teil 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes entweder als Pensionskasse oder als Pensionsfonds organisiert sein. Die gemeinsame Einrichtung unterliegt damit der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

 

Für den Fall, dass die gemeinsame Einrichtung ihren Versorgungsverpflichtungen ganz oder zum Teil nicht nachkommen kann (§§ 312 ff. VAG), stellt Absatz 5 sicher, dass die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten und gegebenenfalls ihrer Angehörigen vom Pensions-Sicherungs-Verein übernommen wird. Um den Pensions-Sicherungs-Verein nicht unverhältnismäßig zu belasten, wird dessen Ausfallhaftung auf das Leistungsniveau einer Beitragszusage mit Mindestleitung begrenzt. Die gemeinsame Einrichtung ist verpflichtet, Beiträge an den Pensions-Sicherungs-Verein zu zahlen. Die Höhe der Beiträge hängt davon ab, ob die gemeinsame Einrichtung den Status als Pensionskasse oder Pensionsfonds hat, und damit von der abstrakten Wahrscheinlichkeit einer Eintrittspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins. Im Übrigen gelten im Hinblick auf den Insolvenzschutz der gemeinsamen Einrichtung die §§ 7 bis 11 entsprechend.

 

 

 

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